Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
hämmern, sie widerstand aber der
Versuchung, diese sofort an Ort und Stelle zu öffnen. Dann blickte sie in das
Schließfach, um sich zu vergewissern, dass sie nichts darin übersehen hatte,
schob den länglichen Stahlbehälter wieder hinein und verschloss es. Den
Schlüssel steckte sie in ihre Jeansshorts. Sie packte die Kassette mit den
Unterlagen in ihre geräumige Handtasche, klemmte sich die beiden Lederhüllen,
die sie wieder in das Segeltuch gepackt hatte, unter den Arm und kehrte in den
Schalterraum zurück. Dort unterhielt sich der Beamte noch immer mit dem
gleichen Kunden. Bei Rabeas Rückkehr verstummte die Unterhaltung abrupt, als
wenn jemand den Ton abgedreht hätte.
Rabea
winkte dem Schalterbeamten ein freundliches „Grazie“ zu und wollte soeben in
die Drehtüre treten, erleichtert, dass alles so einfach und schnell gegangen
war, als sie der Beamte zurückhielt: "Signorina,
da wäre noch eine Kleinigkeit."
Rabea
holte tief Luft, setzte ein strahlendes Lächeln auf und drehte sich langsam zu
ihm um: "Ja, bitte, Signore Frollino?"
Der
Beamte wurde noch röter, falls dies überhaupt möglich war, diesmal vor Freude,
dass sie sich seinen Namen gemerkt hatte. Dass er groß und breit auf seinem
Namensschild zu lesen war, hatte er vergessen. Er warf sich vor seinem Freund
in die Brust: "Wenn Sie bitte näher treten wollen und hier nur kurz den
Inhalt des Schließfaches quittieren möchten." Er wedelte dabei mit einem
Blatt Papier.
Wohl
oder übel kehrte Rabea an den Tresen zurück und beugte sich über das Blatt. Der
Bankbeamte reichte ihr einen Kugelschreiber und zeigte mit einem schmutzigen
Fingernagel auf die Stelle wo sie unterschreiben sollte. Sie überflog den
kurzen Text. Es handelte sich tatsächlich nur um eine Bestätigung der Bank,
dass sie den Inhalt des Schließfaches Nr. 34 korrekt und unversehrt vorgefunden
hatte. Rabea quittierte mit einem unleserlichen Krakel, bedankte sich und
verließ die Bank ohne weiteren Zwischenfall.
Draußen
blieb sie einen Moment stehen. Der Wechsel vom Halbdunkel der Schalterhalle in
das gleißende Sonnenlicht, blendete sie kurz. Lukas eilte ihr ungeduldig
entgegen.
"Und? Hat alles
geklappt. Hast du es?"
"Ja,
komm. Lass uns hier verschwinden." Rabea öffnete die hintere Türe und
legte die beiden Lederhüllen vorsichtig auf den Rücksitz. Die Handtasche
drückte sie Lukas in die Hand, der sie beinahe fallen gelassen hätte, da er auf
das plötzliche Gewicht nicht gefasst war.
„Was hast du denn da drin.
Ziegelsteine?“, fragte er verblüfft.
"Später.
Erklär ich dir im Auto. Machen wir, dass wir hier wegkommen."
Sie
stiegen in den Wagen, Rabea klemmte sich erneut hinters Steuer, wendete und
fuhr in Richtung Mergo zurück.
Der
Vollstrecker hatte von der Bar aus mit Befriedigung die beiden länglichen
Lederhüllen unter Rabeas Arm registriert. Er verließ seinen Beobachtungsplatz
am Fenster, stieg in den Wagen und folgte dem deutlichen Signal aus dem Wagen
vor sich. Er war sich absolut sicher, dass die Rothaarige und der Pfaffe es vor
Neugierde nicht die knapp drei Stunden Rückfahrt bis Rom aushalten würden und
bereits nach einem Hotel Ausschau hielten, um dort allein und in aller Ruhe den
Inhalt der Rollen zu inspizieren. Er würde es ganz genauso machen, wenn er
einen Jahrtausendfund in seinen Besitz gebracht hätte.
Sein
Plan war simpel. Solange die beiden mit dem Wagen unterwegs waren, konnte er
nicht viel ausrichten. Aber sobald sich seine Zielobjekte allein in ein
Hotelzimmer begaben, würde er zuschlagen. Ein Kinderspiel. Erst würde er den
Pfaffen beseitigen und sich danach ausgiebig mit der kleinen Rothaarigen
beschäftigen, sollte der Protektor ruhig noch ein bisschen länger warten. Bei
dem Gedanken daran fuhr er sich mit der Zunge über die trockenen Lippen,
während ein ungeduldiges Zittern ihn durchlief. Die Vorfreude auf die kommende
Gewaltorgie wecke seine sadistische Lüsternheit und er griff sich selbst fest
in den Schritt.
Der
Vollstrecker sollte mit seiner Vermutung Recht behalten. Rabea rief ihre
Freundin Isa an, eine Autorin, die sich vor einigen Jahren ein altes Bauernhaus
in der Nähe von Serra San Quirico, keine 20 Kilometer von Angeli di Mergo
entfernt, gekauft und mit ihrem Mann liebevoll restauriert hatte. Rabea hatte
erst wieder an sie gedacht, als sie den Ortsnamen auf einem Schild entdeckt
hatte. Ihre Freundin hatte sie schon des Öfteren zu sich eingeladen, aber Rabea
hatte nie die Zeit dafür gefunden. Sie erreichte
Weitere Kostenlose Bücher