Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
was denkst du? Das ist doch einwandfrei ein
Briefverkehr zwischen zwei Geistlichen. Und sie haben, scheint’s, an dem Ast
gesägt, auf dem sie saßen. Nur schade, dass der Brief sein Ziel nicht mehr
erreicht hat. Aber wir haben endlich ein paar Namen, mit denen ich arbeiten
kann. Das scheint mir eine interessante Spur zu sein.“
"Du
hast Recht, es ist interessant, aber lass uns darüber reden, wenn ihr zurück seid",
erwiderte Lukas.
"Ist
gut. Gibst du mir bitte noch Jules ans Telefon? Danke."
Gleich
darauf dröhnte Jules kräftiger Bariton mit dem leichten französischen Akzent in
ihr Ohr: "Hallo Rabea. Ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich
war, dass Lucie schon wieder gesund und munter zurück ist. Wie ich von Lukas
höre, steckst du schon wieder bis über beide Ohren in Abenteuern? Da ich schon
einmal hier bin, kann ich euch irgendwie helfen?", bot Jules freimütig an.
"Hey
Jules. Tut mir furchtbar leid, dass du als erstes gleich auf Lukas gestoßen
bist, aber du hast die Angelegenheit ja nach deinem Rechtsempfinden gelöst,
Zahn um Zahn, Nase um Nase?", neckte sie ihn, sofort in ihren
altvertrauten Ton zurückfindend.
"Ah,
offene Rechnungen sind nicht gut, sie stapeln sich auf und verwehren einem den
Weg ins Paradies. Aber nun ist alles gut und wir sind die besten Freunde, der
Pater und ich. Wann kommst du? Oder soll ich zu dir kommen? Wo bist du?"
"Nein,
bleib du lieber dort. Sobald wir fertig sind, in ungefähr ein bis zwei Stunden,
kommen wir rüber. Ich rufe euch vorher noch einmal an. Bis später, ich muss
mich wieder an die Arbeit machen, Simone schaut schon ganz vorwurfsvoll. Er ist
wohl der Meinung, dass er die ganze Arbeit alleine machen muss. Ach du meine
Güte, dieser tödliche Jesuitenblick, ich muss sofort aufhören, ich glaube, ich
bin gerade gestorben. Shalom", feixte Rabea, sich in ihren gewohnten Spott
flüchtend, da keiner merken sollte, wie es in ihrem Innersten aussah und wie
sehr sie sich schämte für das, was sie in ihrer grenzenlosen Verbitterung
angerichtet hatte.
"Mit
dem Tod scherzt man nicht, Rabea", tadelte sie Jules ungewöhnlich ernst.
Aber
sie hörte nicht und hatte bereits aufgelegt.
Das Evangelium der Liebe
Der
Protektor saß an seinem mit Dokumenten übersäten Schreibtisch in seinem Palazzo
im Diplomatenviertel von Rom. Äußerlich verriet nichts seine Wut, allein die
pochende Stirnader zeugte von heftiger Erregung. Nach mehr als zwanzig Jahren
unermüdlicher Anstrengungen und Nachforschungen, die ein Vermögen verschlungen
hatten, war es ihm endlich gelungen herauszufinden, wer im Besitz der
verschollenen Dokumente war. So nahe war er dem Ziel bereits gewesen, die Rache
greifbar und dann war alles schiefgelaufen. Die elektronische Überwachung
stümperhaft und viel zu früh entdeckt, die Entführung durch das Opfer selbst
vereitelt. Zwei seiner besten Leute verhaftet, ein weiterer tot. Selbst der
sonst stets verlässliche Vollstrecker hatte zum ersten Mal versagt. Immerhin
versuchte Gabriel, der ihm mit einem dicken Verband um den Kopf gegenübersaß,
ein zerknirschtes Gesicht vorzutäuschen. Alles Maskerade, wie der Protektor
wusste. Der Vollstrecker kannte nur zwei Gefühlsregungen: Das eine war Hass und
das andere Lust, die er nur gewann, in dem er anderen körperliche Qualen
zufügte.
Ohne
es zu ahnen, hatte der Protektor die eigentliche Fehlentscheidung selbst
getroffen: Als er anordnete, Rabea und Pater Simone beim Verlassen der Wohnung
nicht zu folgen, sondern weiter auf die Überwachung von Stettens zu setzen.
Tatsächlich stützte er sich hierbei auf seinen Informanten im Polizeipräsidium,
der ihn unterrichtet hatte, dass die vermuteten Dokumente bei dem jungen
Priester weder gefunden noch beschlagnahmt worden waren. Irgendwie musste es
ihm gelungen sein, die Schriftrollen direkt an Grassa vorbei ins Haus zu
schmuggeln und dort zu verstecken. Diese Jesuiten waren einfach zu schlau.
Bentivoglio hatte das Geheimnis jahrzehntelang bewahrt. Warum sollte sich der
junge von Stetten dümmer anstellen?
Der
Protektor hatte nicht mehr die Geduld, noch länger zu warten und beschlossen, alles
auf eine Karte zu setzen. Für seinen riskanten Plan hatte er seine besten Leute
aus ganz Europa einfliegen lassen. Der Plan war einfach und diabolisch: Nach
Ausschaltung der Wachen würde er die Geschwister von Stetten hierherbringen
lassen. Dann würde der Vollstrecker die Zwillingsschwester vor den Augen ihres
Bruders foltern, bis dieser die Schriftstücke
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