Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
freiwillig herausrücken würde.
Vermutlich würde allein die Drohung ausreichen, dass der Jesuit umfiel. "Geh
mir aus den Augen, Gabriel, und bereite dich vor. Du hast heute bereits einmal
versagt. Enttäusche mich nicht ein zweites Mal", drohte der Protektor und
schickte ihn mit einer brüsken Kopfbewegung hinaus.
"Ma,
che cavolo", polterte Pater Simone unvermittelt los und betrachtete den
Scanner mit finsterem Blick. Rabea, bestens vertraut mit derben italienischen
Ausdrücken, merkte amüsiert auf. Simone hatte soeben den Kohlkopf angerufen.
"Was
ist denn los?"
"Irgendetwas
stimmt mit dem Scanner nicht. Er produziert nur noch schwarze Bilder. Als Laie
würde ich behaupten, dass ein Lämpchen durchgebrannt ist. Tut mir leid, aber
ich fürchte, ich kann nicht mehr weiter machen. Das Ding muss repariert
werden."
"O.k.,
keine Panik. Bestimmt gibt es hier irgendwo in der Nähe einen Computerladen.
Die sind in den letzten Jahren überall wie Pilze hochgeschossen. Ich google
mal.“ Sie wurde schnell fündig. "Hier, ich habe einen gefunden, in der
Nähe des Kolosseums. Ich rufe gleich mal an, ob die auch Scanner
reparieren." Sie wählte die Nummer von ihrem Handy aus an und fast sofort
meldete sich eine männliche Stimme. Rabea schilderte das Problem und flunkerte,
dass sie den Scanner dringend für ihre Doktorarbeit benötigte, die sie morgen
abgeben müsste, und ob es irgendwie möglich wäre gleich einen Techniker bei
ihnen vorbeizuschicken? Der junge Mann verneinte, da er allein im Geschäft war
und deshalb nicht weg konnte, schlug jedoch vor, dass sie das Gerät gerne
innerhalb der nächsten Stunde zur Diagnose vorbeibringen könne. „Ich gehe“,
meinte Pater Simone. Nachdem er den Scanner ordentlich auf seinem klapprigen
Fahrrad verschnürt hatte, machte er sich auf den Weg. Rabea wählte kurz Lukas
an und berichtete ihm von der technischen Panne, die ihre Aufgabe beträchtlich
verzögern würde. Sie rechneten nun nicht mehr damit, vor 21:00h zurück zu sein.
Von Neugier getrieben, setzte sie sich dann auf Simones Platz am Schreibtisch.
Ihr war seine Aufregung wegen der Schriftrolle nicht entgangen. Sie strich
vorsichtig mit ihrem Finger über die kleinen Buchstaben und jäh durchfuhr sie
eine seltsame, aber angenehme Hitze. Seit dem Telefonat mit Lukas und dem
gegenseitigen Geständnis hatte sie sich schlecht gefühlt, aber mit einem Mal
durchströmte sie neue Zuversicht. Verblüfft erkannte sie, dass es ihr
tatsächlich besser ging. Verwirrt strich sie sich die Haare aus der Stirn.
Dabei löste sich der Stift, den sie sich hinter das Ohr geklemmt hatte und er
fiel zu Boden. Sie bückte sich und dabei bemerkte sie ein in die Schublade
eingeklemmtes Stück Papier. Sie zog die Schublade auf, um es sich genauer anzusehen.
Rabea runzelte die Stirn und verglich die Schrift rasch mit der von Simone auf
einem anderen Stück Papier. Er hatte offenbar bereits mit der Übersetzung der
Schriftrolle begonnen. Aber warum hatte er sie in der Schublade versteckt? Und
warum hatte er sie über seine Kenntnisse des Aramäischen angelogen? Fast freute
sie sich darauf, Simone mit seiner Lüge zu konfrontieren. Sie begann zu lesen und
fast sofort begannen ihre Hände zu zittern. Nun konnte sie Simones leuchtende
Augen verstehen. Diese Zeilen waren derart einzigartig und überwältigend, dass
sie es kaum erwarten konnte, Lukas davon zu berichten. Was hier geschrieben
stand, war so wunderbar, dass ihre verwundete Seele die heilenden Worte wie ein
Schwamm in sich aufsaugte. Mit frischem Mut kehrte sie zu den Dokumenten auf
dem Fußboden zurück, griff nach einem zerknitterten Papier und glättete es. Es
handelte sich um einen alten Quittungsbeleg, ausgestellt Ende 1774. Plötzlich stutzte
sie. Ein Name ließ jede einzelne ihrer Sommersprossen erglühen: Leysiffer. Woher
kannte sie ihn bloß? Sie wusste genau, dass sie ihn schon einmal in einem
anderen Zusammenhang gehört hatte. Noch bevor sie ihn in ihren Laptop
eingegeben hatte, fiel es ihr ein. „Verdammte Kacke!“, entfuhr es ihr laut. Sie
hatte sich geirrt. Es war nicht der Vatikan, der hinter den Dokumenten
herjagte; sie würde Pater Simone Abbitte leisten müssen.
Sie
führte rasch einige Recherchen durch. Dann rief sie einen Kollegen in ihrer
früheren Redaktion in Berlin an, der ihr noch einen Gefallen schuldig war und
bat ihn um weitere Informationen, die sie nicht im Internet finden würde. Er
rief sie nach einer Viertelstunde zurück und gab ihr die gewünschten
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