Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
unbekannte Dunkel. Rabea fühlte einen Anflug von schlechtem Gewissen,
weil sie Pater Simone in diese Situation gebracht hatte. Sie nahm seine große,
schweißnasse Hand in die ihre und drückte sie fest. Als er sich ihr erstaunt
zuwandte, nickte sie ihm aufmunternd zu. Nur Mut, sagten ihre Augen, während
sie sich zwang, das eigene, unbehagliche Gefühl zu unterdrücken. Sie wusste, dass
nichts die Sinne so sehr lähmte wie Angst, und gerade für die kommende
Begegnung brauchte sie all ihren Mut und Verstand. Denn Rabea glaubte zu
wissen, wer am Ende des dunklen Ganges auf sie wartete.
Sie
hielt immer noch Pater Simones Hand in der ihren und spürte, dass er merklich
ruhiger wurde, bis sein Zittern schließlich gänzlich aufhörte.
Der
Vollstrecker deutete mit seiner Waffe nach links und ließ sie einige Meter
weiter vor sich her gehen, dann befahl er: "Stopp. Schluss jetzt mit dem
rührenden Händchenhalten. Stellen Sie sich mit dem Gesicht zur Wand, Beine
gespreizt und Arme über dem Kopf ausgestreckt."
Rabea,
der die Prozedur nicht fremd war, tat wie geheißen. Der Vollstrecker
durchsuchte beide mit flinken Händen und nicht gerade zimperlich. Bei Pater
Simone fand er nichts Besonderes, er hatte nur eine Brieftasche und ein paar
Taschentücher bei sich, allerdings sah Rabea mit Schaudern, wie er Simones
Schlüsselbund mit dem Wohnungsschlüssel seines Bruders an sich nahm. Der
Vollstrecker öffnete die nächstgelegene Stahltüre und stieß Pater Simone
unsanft in die leere Zelle. Noch nicht einmal eine Pritsche oder ein Stuhl,
geschweige denn eine sanitäre Einrichtung war vorhanden, wie Pater Simone, der
ein dringendes Bedürfnis verspürte, erschreckt feststellte. Als Rabea ihm
selbstverständlich nachfolgen wollte, hielt sie Gabriel grob am Arm fest und
zischte: "Du nicht." Er sperrte hinter Simone ab und führte Rabea in
die angrenzende, ebenso karge Zelle. Die dicke Stahltüre fiel schwer hinter ihr
zu und das Quietschen des Schlüssels trug nicht gerade zur Beruhigung bei.
Merkwürdig, dass sich das Geräusch einer hinter sich zuschlagenden Türe, zu der
man keinen Schlüssel besaß, so völlig von einer normal ins Schloss fallenden
Haustür unterschied. Trotzdem war Rabea froh, dass sie für eine Weile von
Gabriels Gegenwart befreit war. Er hatte eine Art sie anzusehen, die ihre Haut
bis unter die Haarwurzel kribbeln ließ. Totale Stille umfing sie nun und das
Gefühl einer alles umfassenden Einsamkeit.
Nachdem
Rabea sich nicht wie versprochen bei ihm zurückgemeldet hatte, versuchte es
Lukas selbst auf ihrem Handy. Es klingelte ins Leere. Inzwischen versuchte er
in beinahe minütlichen Abständen, sowohl Rabeas Handy als auch den
Festanschluss der Wohnung zu erreichen. Wo steckten die beiden bloß?
Verzweifelt versuchte er gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen.
Jules
saß mit ihm in der Küche. Beide hatten vor sich einen unberührten Berg
erkalteter Spagetti stehen. Lustlos hatten sie nur ein wenig darin
herumgestochert.
"Wie
weit ist es von der Wohnung von Simones Bruders bis hierher?", erkundigte
sich Jules nun.
"Ungefähr
zwanzig Minuten zu Fuß."
"Gut,
dann warten wir noch weitere fünf Minuten. Vielleicht sind die beiden
inzwischen hierher unterwegs. Wenn sie dann nicht auftauchen, fahre ich hinüber
und sehe nach dem Rechten. Sinnlos, hier herum zu sitzen und weiter Zeit zu
verschwenden." Jules war von Lukas über alle Ereignisse, angefangen vom
Mord an dem Generaloberen der Jesuiten bis hin zur Einscan-Aktion der Dokumente
eingeweiht worden. Die beiden Männer hatten aufgrund ihrer gemeinsamen Sorge
inzwischen zu einer gewissen Vertrautheit gefunden.
"Gut,
aber ich komme mit", erwiderte Lukas spontan.
Jules
reagierte darauf mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Ja,
ja. Ich weiß, ich stehe unter Hausarrest, Jules. Aber ich werde verrückt, wenn
ich hier länger untätig herumsitzen muss, während Rabea und Simone vielleicht
in Gefahr sind.“ Er sprang so heftig auf, dass er den Korbsessel umwarf.
Unruhig wie ein gefangener Tiger im Käfig, lief er in der Küche auf und ab.
"Ruhig
Blut, Lukas. Ich kann dich ja verstehen. Aber glaub mir, wenn du jetzt von hier
verschwindest, vergrößert das deine Schwierigkeitenungemein.
Wenn sie dich draußen erwischen, landest du sofort im Knast. Damit ist keinem
gedient. Ich werde mich gleich auf den Weg machen. Spätestens in zwanzig
Minuten haben wir Gewissheit." Jules war aufgestanden und legte ihm
beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
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