Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Predigt seines Onkels - es hatte etwas
zu bedeuten! Natürlich, Franz kannte das Geheimnis, hatte das Tagebuch Alexander
von Stettens gelesen. Betraf seine letzte Botschaft die Aufforderung, die
Schatzkarte nicht zu offenbaren, weil er fürchtete, dass die rechtmäßigen Eigentümer,
das Volk von Peru, die Kirche als Dieb brandmarken würde? Oder bedeutete es,
dass sein konservativ katholischer Onkel Franz, der stets an den
althergebrachten Traditionen wie der in Latein gehaltenen Messe festhielt,
dagegen war, dass Bentivoglio die Dokumente veröffentlichte? War er gegen eine
Reform des Glaubens und des Kirchenstaates, weil er um Ansehen und Erbe der
Kirche fürchtete?
"Es
ist deine Entscheidung, Lukas“, bekräftigte sein Vater jetzt. Der stets so
beherrschte von Stetten senior hielt den Kopf dabei gesenkt. Lukas zögerte
kurz, dann legte er ihm ungeschickt seinen Arm um die Schulter und eine Weile
verharrten Vater und Sohn in verstehendem Schweigen.
Eine
Gruppe Passanten, Krankenhausangestellte, die ihre Nachtschicht beendet hatten,
gingen mit müden Gesichtern an ihnen vorbei, um bald in ihre eigenen Betten zu
kriechen, während für den Großteil der Bevölkerung der Arbeitstag gerade erst
anbrach. Niemand beachtete die beiden Männer in dem Wagen, nur ein junges
Mädchen drehte sich zu dem teuren, schwarzen Mietwagen um und beäugte sie
neugierig, während sie sich eine Frühstückszigarette anzündete und
weiterhastete. Lukas folgte ihr mechanisch mit dem Blick und blieb dann an
einem Wagen auf der anderen Straßenseite hängen. Er hätte schwören mögen, dass
ihn der Mann am Steuer eben noch mit einem Fernglas beobachtet hatte, aber der
Fahrer startete jetzt den Wagen und fuhr davon.
"Entschuldige
Lukas." Sein Vater hatte sich wieder gefasst. "Die Aufregungen der
letzten Monate waren vielleicht doch etwas zu viel für mich, letztendlich bin
ich doch nur ein alter Mann. Das mit Lucie hat mich sehr
mitgenommen. Beinahe noch ein Kind zu verlieren… Und dir hätte schließlich auch
etwas passieren können. Nun, wir werden sehen, jeder Tag hat seine eigene
Plage. Am besten du kommst so bald wie möglich nach Nürnberg und siehst dir das
Tagebuch und die Karte selbst an. Ich lasse dir und Lucie zur Sicherheit Fonton
und seine Männer da. Gib Lucie einen Kuss von mir und richte Rabea meine besten
Grüße aus. Ich bin mir sicher, dieses zähe Mädchen ist bald wieder auf den
Beinen. Und lasst euch recht bald zu Hause blicken, ja? Eure Mutter vermisst
euch." Mit diesen Worten war Lukas entlassen. Sein Vater hatte seine
Fassung zurückgewonnen und erneut sein unverbindliches Unternehmergesicht
aufgesetzt. Er nickte seinem Sohn nochmals zu und fuhr davon. Lukas sah ihm
kurz hinterher und kehrte dann in die Klinik zurück.
"Ist
Vater schon weg? Was wollte er denn von dir so Wichtiges?", erkundigte
sich Lucie bei ihrem Bruder, kaum dass er den Raum betreten hatte.
"Ach,
nichts Besonderes, das Übliche. Du kennst ihn ja. Ich soll dir von ihm einen
Kuss geben und ausrichten, dass wir uns bald wieder einmal bei unserer Mutter
sehen lassen sollen. Zu unserem Schutz hat er seine Männer dagelassen, er
selbst ist schon unterwegs Richtung Flughafen“, druckste er herum. Er wusste,
dass er damit bei Lucie nicht so leicht davonkommen würde. Sie musterte ihn mit
einem seltsamen Ausdruck in den Augen, beließ es aber vorerst dabei.
Weitere
endlose Stunden vergingen mit bangem Warten, bis der Arzt erneut auftauchte. Selbst
der Messias wäre nicht sehnlicher empfangen worden. Sie hatten die Zeit mehr
oder weniger stumm verbracht, weil ein jeglicher Gesprächsversuch sogleich in
der Banalität der Worte erstickt war. Selbst Lucie hatte nach einer Weile ihre
Versuche aufgegeben, sie mit ihrer Zuversicht aufzumuntern. So hatte Stille geherrscht,
die nur durch den monotonen Klang der Schritte des jungen von Stetten auf dem
Linoleum und dem Ticken der Uhr über der Tür unterbrochen wurde. Das ewige
Ticktack erwies sich schnell als enervierend, bis Lukas es nicht mehr aushielt
und die Uhr einfach abnahm und abstellte.
Der
Arzt trat den Wartenden mit einem beruhigenden Lächeln entgegen, das es jedoch
nicht bis in seine müden Augen geschafft hatte. Er war unrasiert und wirkte
nicht weniger zerknittert als sein nach Desinfektionsmittel riechender Kittel.
"Es
wird sie sicherlich freuen zu hören, dass die Patientin aufgewacht ist. Sie möchte
sie sehen. Ich war zwar dagegen, aber die Signorina war sehr energisch, was
allerdings
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