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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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darauf.
    „Autsch, das hat
weh getan“, entrüstete sich ihr Bruder.
    „Sei keine Memme. Das stillt die Blutung. Halt den Eiswürfel eine
Weile drauf.“ Innerlich nahm sie sich fest vor, das Thema Lukas mit Rabea
nochmals ernsthaft zu besprechen. Fakt war, dass sich ihre Freundin kaum eine
Stunde im Haus aufhielt und schon wies ihr Bruder eine Stirnbeule und eine
Schnittwunde am Kinn auf. Derselbe Gedanke schien diesem eben auch gekommen zu
sein.
    Er schimpfte: „Da bin ich seit sechs Monaten in Rom, habe eine
wichtige Unterredung und wie sehe ich aus? Wie nach einer Wirtshausschlägerei.
Ich werde einen schönen Eindruck hinterlassen.“ Fast sofort biss sich Lukas auf
die Zunge, beinahe hätte er verraten, dass er sich später mit dem Generaloberen
traf. Hoffentlich hakte Lucie nicht nach, doch ihre Antwort zeigte, dass sie
glaubte, er hätte auf seinen Besuch im Vatikan angespielt. „Ach komm schon.
Falls dich der oberste Bücherwurm danach fragt, erzähl ihm doch einfach, du
trainierst zurzeit ein paar Straßenjungen in Selbstverteidigung, dann stehst du
auch noch gut da.“
    Lukas bedachte seine Schwester mit einem amüsierten Blick. „Also
wirklich, Lucie. Du bist mir ein Früchtchen. Du hast mir gerade empfohlen,
einem Superior frech ins Gesicht zu lügen.“
    „Ach so, du willst ihm die Wahrheit erzählen? Wie wäre es dann
damit: Tut mir leid Exzellenz, aber meine Jugendfreundin hat mich heute
nackt in der Dusche überrascht, ich bin ausgerutscht und dabei ist mir leider
die Duschstange auf den Kopf gefallen? Außerdem“, fügte Lucie hinzu, „unser
Onkel Franz hat in seiner Jugend selbst geboxt und es dir beigebracht. Und der
war immerhin Bischof.“
    "Bitte
Lucie, musste das jetzt sein?" Gequält blickte er seine Schwester an. Mit
der unbedachten Erwähnung ihres Onkel Franz, des jüngeren Bruder ihres Vaters,
hatte sie ungewollt eine schmerzhafte und allzu frische Wunde auf seiner Seele
angerührt. "T´schuldigung", murmelte Lucie zerknirscht und biss sich auf
die Unterlippe.
    So
gut er es vermochte, versuchte Lukas die Erinnerung an den sinnlosen Mord an
seinem Onkel aus seinen Gedanken zu verbannen, zumindest tagsüber. Des Nächtens
jedoch war er ihr hilflos ausgeliefert. Er hatte die Identifizierung seines
Onkels vornehmen müssen, weil er auf dessen drängenden Wunsch hin genau an
jenem Tag nach Bamberg gereist war, als man den Ermordeten aufgefunden hatte.
Seither überfiel ihn das Bild des Toten Nacht für Nacht mit apokalyptischer
Wucht. Franz von Stetten, Bischof von Bamberg, war einem beispiellosen,
barbarischen Akt der Grausamkeit zum Opfer gefallen.
    Jedes
Mal, wenn der Gedanke daran in sein Bewusstsein drang, schien dem jungen Mann,
als würde ein eisiger Dämon nach seinem Herzen greifen, um es mit seiner
frostigen Pranke zu zerquetschen. Er fürchtete sich vor dieser grausamen Kälte,
denn sie griff unbarmherzig nach seinem kostbarsten Gut: seiner reinen Liebe zu
Gott und Jesu Christi. Tag für Tag marterte er sich seitdem mit Fragen, die er selbst
unzählige Male als Seelsorger von trauernden Hinterbliebenen vernommen hatte: Wie
konnte ein barmherziger Gott zulassen, dass ein Mensch wie der Bischof, der
sein Leben dem Guten gewidmet hatte, eines so furchtbaren und unwürdigen Todes
sterben musste? Welchen Platz konnte eine solche Tat in Gottes großem Plan
einnehmen? Doch die quälendster aller Fragen, die er sich selbst stellte
war: Weshalb wurde der Bischof für etwas bestraft, das er, Lukas, getan
hatte? Seit nunmehr sechs Jahren verzehrte ein dunkles Geheimnis seine
Seele, etwas über das er bisher mit niemandem hatte sprechen können: Er, Lukas
von Stetten, hatte versucht, Gott zu täuschen. Damals, als er beschloss, dem
Jesuitenorden beizutreten und sein Leben dem Leib Jesu Christi zu weihen,
geschah dies nicht aus seinem ureigensten Wunsch heraus, vielmehr war sein
Entschluss eine Kurzschlusshandlung gewesen, genährt durch ein Gefühl der Wut
und Enttäuschung, von der Liebe seines Lebens betrogen worden zu sein. Und, er
machte sich hier selbst nichts vor, er hatte es auch getan, weil er wusste, wie
sehr er sie damit verletzen würde. Aber Gott hatte seine Absichten
durchschaut und sich nicht damit zufrieden gegeben, damals nur seine zweite
Wahl gewesen zu sein. Die Buchhaltung Gottes kennt keine offenen Rechnungen und
hat die Geduld der Ewigkeit auf ihrer Seite; sie vergisst niemals und
irgendwann wird mit Zinseszins eingetrieben. Ausgerechnet sein Onkel Franz,
Bischof

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