Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
Vom Netzwerk:
erneut dahin
zu wenden.
    „Wieso, was ist denn? Habe ich einen Fleck?“ Lukas blickte an sich
herab und drehte den Kopf dabei prüfend von rechts nach links.
    „Geh und sieh im Flurspiegel nach“, forderte Lucie ihn auf und
folgte ihm. Der junge Priester musterte sich in dem mannshohen venezianischen
Spiegel, einem alten Familienerbstück, konnte aber im Großen und Ganzen nichts
Ungewöhnliches an seiner Erscheinung ausmachen.
    „Na, Bruder Lukas? Inzwischen eitel geworden? Ist das nicht eine
der sieben Todsünden?“, flötete es direkt hinter ihm.
    Rabea. Sie hatte sich offensichtlich erholt und zu alter Form
zurückgefunden oder sie war einfach nur eine gute Schauspielerin. Sie lehnte in
der Schlafzimmertüre, einzig bekleidet mit einem knappen, an der Brust
gerafften weißen Handtuch, auf dem sich lustige grüne Fröschlein tummelten – keine
Frage, dass es Lucie gehörte. Die junge Frau hatte inzwischen geduscht und ihr
Haar gewaschen. Gelöst und noch leicht feucht fiel es in seidig schimmernden
Wellen bis auf ihre Hüften herab. Die rotgoldene Mähne umgab sie wie eine
Aureole und verlieh ihr erneut den Zauber der Feen, der Lukas bereits in seiner
frühesten Jugend in den Bann geschlagen hatte. Die jähe Erinnerung daran, wie unvergleichlich
sich ihr Haar angefühlt und wie berauschend es geduftet hatte, traf ihn wie ein
Schlag. Ihrer beiden Blicke begegneten sich nun in stummer Zwiesprache im
Spiegel und in seinen tiefblauen Augen stand deutlich sichtbar der hungrige
Ausdruck von Sehnsucht. „Oh, oh“, dachte Lucie und griff ein. Energisch
schubste sie ihre Freundin zurück in das Schlafzimmer, schloss demonstrativ
hinter ihr die Türe und lehnte sich dann mit dem Rücken dagegen. Entschuldigend
grinste sie ihren Bruder an.
    Lukas, der Rabeas halbnackten Auftritt verdaute, bemühte sich, ein
möglichst katholisches Gesicht zu machen. Der Eindruck wurde jedoch durch seine
auffällig rot glühenden Ohrläppchen stark beeinträchtigt. Hastig wandte er sich
wieder seiner Kleidung zu und entdeckte schließlich das von Lucie angesprochene
Problem: Der schmelzende Eiswürfel hatte sich mit ein wenig Blut vom Kinn
vereinigt und einen hässlichen rosa Fleck auf dem weißen Kollar seines Anzuges
hinterlassen.
    „Oh nein. Unglaublich. 99,9 Prozent des Anzuges sind schwarz und
auf 0,1 Prozent weiß muss ausgerechnet ein Fleck geraten. Dabei kommt er frisch
von der Reinigung“, lamentierte er und trottete in sein Schlafzimmer zurück. In
Gedanken bedachte er Rabea nicht gerade mit zarten Liebenswürdigkeiten,
schließlich hatte ihre Anwesenheit erst die unglückliche Kettenreaktion von
heute Morgen ausgelöst, die bisher nur ein Opfer kannte: ihn, Lukas.
    Es war genauso wie früher, als hätte es die letzten Jahre nie gegeben.
Er wagte nicht sich auszumalen, was ihm in den nächsten sechs Wochen noch an
weiteren Überraschungen blühen würde. Einen kurzen Moment streifte ihn der
Gedanke, ob es nicht besser wäre, wenn er für die nächste Zeit seinen Freund
Pater Simone um Asyl bitten würde. An dieser Stelle jedoch meldete sich sein
Stolz, weil er sich Rabeas süffisanten Kommentar dazu genau ausmalen konnte: „ Na,
Bruder Lukas, nehmen wir die Kutte in die Hand und Reißaus? Haben wir Angst vor
der Versuchung?“
    Bruder Lukas, so hatte sie ihn früher immer genannt, obwohl sie
genau wusste, dass er es nicht leiden konnte. Dabei war er am Morgen so zuversichtlich
gewesen, dass der heutige Tag besonders gut für ihn werden würde. An Rabea
hatte er dabei nicht einmal im Traum gedacht. Wie ein schwerer Stein war sie
erneut in die stille See seines Lebens geplumpst und der Strudel des Aufpralles
hatte die verschiedensten Empfindungen um ihn herum aufgewirbelt. Wie Schlamm
und Sand würden sich diese erst langsam wieder in ihm setzen und Lukas würde Zeit
brauchen, um wieder klarer zu sehen. Was er jetzt benötigte, war Ablenkung. Die
stille Atmosphäre der Einkehr eines Lesesaales, vor allen Dingen die
beruhigende Wirkung seines besten Freundes, dem unerschütterlichen Simone,
waren genau das Richtige, um den Aufruhr in seiner Seele zu besänftigen. Sie würden
sich ganz auf die Arbeit an seiner Dissertation konzentrieren, danach zu Mittag
essen und dann wäre es bereits an der Zeit für seine Verabredung mit dem Pater
General.
    Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass er los musste,
wenn er nicht zu spät kommen wollte. Er rief seiner in der Küche hantierenden
Schwester einen kurzen Abschiedsgruß zu

Weitere Kostenlose Bücher