Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
waren, reagierte
gegen seinen Willen und forderte entschieden seine nicht kirchlich gebundenen
Rechte ein. Siedend heiß fiel ihm ein, dass er nur einen einfachen
Baumwollpyjama mit kurzen Hosen trug, der seine Reaktion mehr als preisgeben
würde. Gerade rechtzeitig kam ihm ein Einfall zu Hilfe, wie er das Schlimmste,
nämlich Rabeas spöttische Reaktion auf sein offensichtliches Malheur,
vielleicht abwenden konnte. Er täuschte einen Hustenanfall vor, krümmte sich
nach vorne und wartete ab, bis er sich ohne verräterische Anzeichen wieder
aufrichten konnte. Das bemühte Husten ließ seine wunde Kehle noch mehr brennen,
aber der Schmerz war ihm im Moment mehr als willkommen. Er suchte und fand
einen für ihn ungefährlichen Fixpunkt, seine Schwester. Dazu setzte er ein
sonntäglich gemessenes Predigergesicht auf und hoffte, dass Rabea nicht
mitbekommen hatte, welch fatale Wirkung sie noch immer auf ihn ausübte. Die
beiden jungen Frauen waren ihm besorgt entgegengeeilt. Lukas hob den Kopf und
ihm genügte ein Blick in Rabeas Augen, um zu wissen, dass ihr sein Missgeschick
nicht entgangen war. Mit leisem Erstaunen erkannte er aber, dass ihre klaren
grünen Augen völlig frei von dem von ihm erwarteten Spott waren, stattdessen
schien ihr Blick ein leises Bedauern auszudrücken. Ein zartes Was-wäre-wenn schwang plötzlich verheißungsvoll zwischen ihnen, wob sich in ihrer beider
Gedanken und nistete sich dort wie ein zartes Gespinst ein, bereit, sich im
geeigneten Augenblick zu materialisieren.
Der jaulende Hund, dessen Laute in dem hohen, langen Flur
akustisch eindrucksvoll verstärkt wurden, erinnerte sie jäh an ihr eigentliches
Vorhaben. Dies war nicht die Zeit und nicht der Ort.
Mit wenigen Schritten erreichten sie die Tür zum vermeintlichen
Schlafzimmer der Contessa.
Lucie, die ihnen vorausgeeilt war, fackelte nicht lange, sondern
stieß die Tür ohne zu Zögern auf. Der kleine Hund schoss sofort an ihr vorbei
ins Zimmer. Rabea und Lukas folgten Lucie, die das Deckenlicht einschaltete und
alle drei fanden sich in einem Schlafzimmer enormen Ausmaßes wieder, das von
einem pompösen Baldachinbett mit kunstvoll geschnitzten Bettpfosten beherrscht
wurde. Rabea warf einen prüfenden Blick auf das Bett, der schwere
Damastüberwurf schien zwar etwas zerwühlt, war aber nicht zurückgeschlagen.
Einige pinkfarbene Punkte waren in unregelmäßigem Muster auf dem Bett verteilt.
Damastbettdecke und Vorhänge an der deckenhohen Fensterflügeltür waren
zartrosa, wie auch das gesamte Zimmer mit einer rosa, im englischen Stil
gemusterten Stofftapete bezogen war. Altrosa herrschte beim Chippendale-Sofa,
den unzähligen im Raum verteilten Kissen mit goldfarbenen Quasten, den beiden
Polstersesseln und dem knöcheltiefen Teppich vor. Ein Kleiderschrank fehlte,
jedoch zweigten zwei mit Stofftapete bezogene, kaum sichtbare Türen auf der linken
Wandseite ab. Eine der Türen war halb geöffnet und gab den Blick auf ein
überdimensionales Ankleidezimmer frei, vor der anderen, verschlossenen Tür, saß
die kleine Hündin und forderte hektisch scharrend Einlass.
„Oh mein Gott, die Hölle ist Altrosa“, stöhnte Rabea, sich
umblickend. „Wen hatte sie als verdammten Innenarchitekten. Elton John?“
„Kennst du Mister Bubble?“, fragte Lukas Rabea, die ihn daraufhin,
ob der vermeintlich zusammenhanglosen Frage, verblüfft anstarrte. „Nein, wie kommst du jetzt darauf?“
„Das ist der rosa Kaugummi, den man riesig aufblasen kann. Liegt
hier an fast jeder Supermarktkasse und Espressobar aus. Die Contessa war
irgendwie mit dem Erfinder oder Erben oder so ähnlich verheiratet. Vielleicht
kommt daher ihre Vorliebe für Rosa“, versuchte Lukas zu erklären.
„Aha. Unglaublich, dass man mit Kaugummi so verdammt reich werden
kann.“ Rabea schüttelte den Kopf und erneut war Lukas von dem rotgolden
auffunkelnden Farbenspiel in ihrem Haar fasziniert. Sein umtriebiges
Unterbewusstsein hatte nichts Besseres zu tun als ihm im unpassendsten Moment
aufs Neue zu trotzen und ihm die Vorstellung einer süßen kleinen
Froschprinzessin auf dem Baldachinbett vorzugaukeln.
Seine gesamte Willenskraft war nötig, um den unangebrachten
Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben, und etwas schärfer als beabsichtigt
meinte er: „Rabea, bitte. Kannst du nicht zumindest versuchen, in meiner
Gegenwart nicht zu fluchen?“
Rabea zuckte nur unbekümmert mit den Schultern. „Wo steckt
eigentlich Lucie?“, fragte sie und blickte sich suchend
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