Die Seelenpest
nicht das Mitgefühl.«
»Hört, hört!«, rief Pinchbeck undeutlich und wischte sich den Mund.
»Ich verstehe diesen ganzen Blödsinn nicht«, schimpfte Reed laut. »Ich habs satt, Sir Thomas! Hören Sie jetzt auf damit, sonst gehe ich. Mir ist schon übel.«
»Könnte es nicht sein«, sagte Thomas und hatte dabei seine Freude, »dass ich mir auch Sie, verehrter Bischof, nur einbilde, im wahrsten Sinne dieses Wortes: Ich sehe Sie und höre Sie, wie Sie jetzt wettern werden, dass es eine Frechheit sei, zu sagen, Sie seien nur ein Bild in mir…«
Reed sprang auf. Der Sessel flog zurück. Sein Gesicht war dunkelrot.
»Muss ich mir das bieten lassen, Pinchbeck? Sie sind Zeuge dieses Angriffs!« Er schrie. »Sie halten sich für göttlich, Morland. Aber dieser Übermut birgt Risiken. Sie werden es bereuen, verlassen Sie sich drauf! Skinner, Ihren Namen werde ich ebenfalls nennen. Die ganze Kommission natürlich!« Er hatte Luftnot, drehte sich herum und lief zur Tür. »Ich empfehle mich! Sie hören noch von mir!« Dann war er draußen.
Eine Weile war es still.
Clifford räusperte sich. »Sirs, darf ich etwas sagen?«
»Nur zu!«, bat Thomas, ein wenig überrascht. »Ich unterrichte am New Inn. Meine Schüler respektieren mich und schneiden in den Prüfungen gut ab. Der Rektor Peter Furges wurde an das Krankenlager seiner Frau gerufen. Ich bot mich an, ihn zu vertreten.« Er machte im Sitzen eine Art Diener. »Ich möchte nur bestätigen, dass diese Jungen sehr verwirrt sind. Sie stacheln sich gegenseitig an, in üblen Schriften zu lesen. Das allein kann dazu führen, dass einer den Halt plötzlich ganz verliert. Nur die Schule kann dies verhindern, indem sie streng den Glauben predigt. Wenn die Kommission etwas bewirken will, dann sollte sie sich darum bemühen, den Unterricht zu straffen, die Strafen zu verschärfen, denn Drohungen und Angst sind gute Lehrer, immer schon gewesen.«
Skinner hob die Hand. »Das hört man gerne. Haben Sie Dank, Herr Lehrer. Morland, ich denke ebenfalls, dass uns nicht die Klage darüber weiterhilft, wie es sein kann, dass junge Leute zweifeln, sondern dass wir mit aller Macht verhindern müssen, dass sie zweifeln. Krieg dem Zweifel, sage ich!«
»Hört, hört!«, murmelte Pinchbeck wieder. Er sah satt und müde aus.
Thomas lehnte sich zurück. Seine Laune war nicht besser geworden. Er ärgerte sich auch, dass Rektor Furges nicht gekommen war; der Einzige, dem er vertrauen konnte. Dieser Clifford war ihm nicht sympathisch, er blickte seltsam, seine Hände waren ruhelos und spielten ständig mit sich selbst. Er sah ihn an, nur flüchtig, aber der Kerl meldete sich sofort.
»Sir, wenn ich noch etwas sagen darf…?«
»Fragen Sie nicht jedes Mal!«
»Ich habe einen besonderen Schüler im Auge, Sir Thomas«, sagte Clifford. »Sein Name ist Whisper, der Sohn eines gewissen Schreibers, der sein Amt verspielt hat.«
Thomas konzentrierte sich.
»Der Junge ist mir nicht geheuer«, fügte Clifford hinzu und zierte sich.
»Was ist?«, fragte Thomas ungeduldig. »Reden Sie!«
»Er hat seit kurzem einen Hund bei sich, mit dem er abends an den Fluss geht. Der Hund hat etwas Teuflisches, wenn ich Ihnen das sagen darf, ohne dass Sie mich…«
»Sie dürfen«, unterbrach ihn Thomas barsch. Er horchte angespannt. Geräusche irrten durch das Haus.
»Wenn meine Informationen zutreffen, Sir, entstammt der Hund dem Bear Garden in Southwark. Ein Überlebender der Hölle. Sie wissen, dass von solchen Tieren etwas Böses ausgeht.«
Thomas nickte. Er wollte nicht. Aber dieser Clifford sprach ihm aus der Seele!
»Man sagt den Hunden nach, dass sie zu Teufeln werden, wenn sie die Kämpfe überleben. Also sollte man sich fragen, warum der Junge sich mit einem solchen Tier abgibt. So denke ich.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Thomas kühl. Er würde sich den Lehrer einmal näher betrachten, nahm er sich vor, er würde ihn nach Westminster bitten, in die Gerichtsräume, wo er Respekt empfinden würde und man ihn besser kennen lernen könnte.
»Ich danke sehr, Präzeptor«, fügte er hinzu.
Skinner und Pinchbeck gähnten.
Die Sitzung hatte einen Punkt erreicht, an welchem man sie schließen konnte. Thomas machte sich Notizen. Margaret fiel ihm ein. Er sah sie schon wegen dieses Bengels lauthals jammern, betteln. Er wollte sie nicht quälen. Aber allein der Name Whisper zwickte ihn gewaltig. Und plötzlich blickte er auf eine Möglichkeit, wie er sich Johan Whisper, den Vater also, und den
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