Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
Vom Netzwerk:
umgeben. Er würde in ihre Träume eindringen und zu einem geheiligten, aber kaum weiter bemerkenswerten Vorkommnis werden. Sie würde lernen, das Ende des Lebens als Ubergang zu einer anderen Art des Daseins zu sehen, egal, wie endgültig es anderen erschien.
    Wenn sie überlebte.
    Elora hatte recht. Das Kleidungsstück bedeckte sie zwar fast bis zu den Fingerspitzen, aber es war leicht und durchlässig, und es schien die Hitze aus ihrem Körper zu ziehen, statt sie zu bewahren. Selbst in der Höhle durchschnitt der Wind den dünnen Stoff.
    Sie begann zu zittern.
    Auf der Lichtung legte Coranna eine Rassel und eine kleine Trommel zurecht. Aus einem Beutel zog sie einige Kräuter, die sie in mehrere Töpfe abmaß. Ihr Gesicht war vor Konzentration zu einer Maske erstarrt. Rhia fragte sich, ob sie selbst jemanden je mit so viel Distanz sterben sehen konnte. Wenn sie es nicht lernte, würde die Trauer sie zerfressen.
    Sie wagte sich halb hinaus aus der Höhle. In der Mitte der Lichtung errichtete Marek ein Feuer in der Größe, in der man Kräuter verbrannte, nicht groß genug, um zu wärmen. Das Feuer befand sich am Rand eines großen Kreises aus Steinen.
    Seine Miene war ernst und düster. Trauerte er über ihren bevorstehenden Tod oder den seiner verstorbenen Partnerin? Wahrscheinlich wusste er es nicht einmal selbst. Sie zog sich den weißen Schleier enger um das Gesicht.
    Besorgt sah Elora sie an. „Wie fühlst du dich?”
    „Gut”, hörte sie sich lügen.
    Ein Funken sprang von Mareks Flintsteinen auf die Zweige und Blätter, die er ausgelegt hatte. Die Flammen waren klein, aber sie würden ihren Zweck erfüllen. Coranna betrat den Kreis und stellte einen Topf über das Feuer. Innerhalb weniger Augenblicke stieg ein stechender Duft auf, den Rhia nicht kannte. Marek verbeugte sich vor Coranna und zog sich aus dem Kreis zurück. Sie erwiderte seine Geste und drehte sich zu Rhia um.
    „Es ist so weit.”
    „Möge Krähe dich in seine Schwingen schließen, dich auf seinen Rücken heben und dich nach Hause tragen.”
    Coranna salbte Rhias Augenlider und Lippen mit warmem, schwerem Ol, das nach der seltsamen Substanz im Feuer duftete. Trotz ihrer Angst spürte Rhia, wie eine Woge des Friedens sie erfasste, als die Krähenfrau sie berührte.
    Frieden, der mit dem nächsten Windstoß wieder verschwand. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz aufzustöhnen. Ihr Körper wollte sich gegen die angreifende Kälte zusammenkrümmen, aber sie stählte die Muskeln, damit sie so lange knien konnte, wie Coranna es wollte. Selbst dieses Leiden war wahrscheinlich Teil der Prüfung.
    Es ist keine Prüfung, sagte eine Stimme in ihr. Du wirst wirklich sterben.
    Sie schloss die Augen und hörte in weiter Ferne das Schlagen von Flügeln.
    Ich weiß. Sie zitterte.
    Die Sonne berührte bereits den Horizont, als Coranna den Kreis verließ. Sie nahm ihre Rassel und reichte Marek die Trommel. Auf ihr Zeichen hin trommelte er einen langsamen Rhythmus, dem sich ihre Füße anpassten. Sie ging um den Kreis herum, von der Hacke auf die Zehen, und jeder Schritt war so vorsichtig, als wäre es der erste, den sie je gegangen war.
    Der Gesang kam tief aus Corannas Kehle, und Rhia erschauerte.
    Die Flügelschlagen wurde lauter.
    Marek sah auf, und Rhia folgte seinem Blick. Eine einzelne Krähe hockte auf der Klippe über ihnen. Im nächsten Augenblick schloss sich ihr eine weitere an. Sie steckten ihre Köpfe zusammen, als wären sie in ein Gespräch vertieft oder zärtlich miteinander.
    Rhia streckte den Hals, um hinter sich zu sehen, den Abhang des Berges hinunter. Unter ihr kreisten weitere Krähen und ihre größeren Vettern, die Raben. Reagierten sie auf das Ritual oder auf die Aussicht auf ein Abendessen?
    Schnell rappelte sie sich auf. So leicht würden die sie nicht bekommen. Sie begann, innerhalb des Kreises auf und ab zu gehen, mit den Füßen zu stampfen und sich die Arme zu reiben. Wenn sie nur in Bewegung blieb, würden die Vögel sehen, dass sie noch lebte, und vielleicht verschwanden sie dann auf der Suche nach einem schnelleren, wohlschmeckenderen Mahl.
    Ein Wimmern entschlüpfte ihrer Kehle, und sie stopfte sich eine Faust in den Mund. Ihre Zähne schlugen aufeinander, als ein weiterer heftiger Schauder ihren Körper zum Beben brachte und sie fast zu Boden warf. Wenn sie sich nur bewegte, musste sie nie zu Aas werden, ob schmackhaft oder nicht. Die Angst schenkte ihr eine Energie, die ewig brannte. Die Menschen um sie

Weitere Kostenlose Bücher