Die Sehnsucht der Konkubine
besonders hart zu denjenigen, die hier oben in dieser finsteren, baumlosen Gegend ihr Leben fristen mussten, wo die unablässigen Winde aus Sibirien auch die letzte Erde vom Boden fegten. Und doch gab es an dieser Landschaft etwas, das ihn befriedigte, etwas Hartes und Forderndes, und die Berge waren ein Sinnbild der Stille und des Gleichgewichts.
Ganz anders als die weichen, feuchten Brisen, an die er sich in den vergangenen Monaten gewöhnt hatte, als er sich unten im Süden, in den Provinzen Hunan und Jiangxi, aufgehalten hatte, dem Herzland der Kommunisten. Dort, wo auch Mao Tse-tungs Unterschlupf in der Nähe von Nanchang lag, hatte Chang eine klebrige Süße in der Luft wahrgenommen, bei der es ihm den Magen umdrehte. Sie lag in den Reisfeldern. Auf den Terrassen. In den kommunistischen Trainingslagern. Der Geruch der Korruption. Und der eines Mannes, der verrückt nach Macht war.
Chang hatte mit niemandem über diese Wahrnehmung gesprochen, hatte keinem seiner kommunistischen Brüder verraten, dass er das Gefühl hatte, etwas im Herzen der Dinge sei nicht so, wie es sein sollte. Sie alle, er selbst eingeschlossen, waren dazu bereit, gegen die herrschenden Nationalisten Tschiang Kai-scheks zu kämpfen und für das zu sterben, woran sie alle glaubten, und doch … Chang holte tief Luft. Sein Freund, Li Ta-chao, war ihrer Sache treu ergeben gewesen und im Herzen Pekings zusammen mit seinen sechzig Genossen gestorben. Chang spuckte voller Verachtung auf den kahlen Felsen. Sein Freund war verraten worden. Hingerichtet durch langsames Erdrosseln. Es gab nichts wirklich Greifbares, auf das Chang den Finger hätte legen und sagen können: Hier beginnt sie, die Korruption. Es war nur ein leises, unbehagliches Rauschen in seiner Seele. Ein kalter Wind, der ihn aufhorchen ließ und wachsam machte.
Und ganz gewiss war es nichts, das er Kuan gegenüber erwähnen konnte. Er wandte sich ihr zu und betrachtete ihr junges Gesicht mit den geraden Brauen und den breiten, hohen Wangenknochen. Es war nicht das, was ein Mann als hübsch bezeichnet hätte, besaß jedoch eine Kraft und Entschlossenheit, die Chang mochte. Und wenn sie lächelte – was selten vorkam –, war es, als verschwinde ein dunkler Dämon aus ihrer Seele und bringe das Licht in ihr so hell zum Leuchten wie die Morgensonne.
»Kuan«, murmelte er, »denkst du manchmal an das Leben, das wir auslöschen, wenn wir Taten wie diese begehen? An die Eltern, die ihrer Kinder beraubt werden? An die Frauen und Kinder, denen es das Herz brechen wird, wenn man an ihre Tür klopft und ihnen die schlimme Nachricht überbringt?«
Ihr Körper erschauderte neben ihm, und sie wandte ihm rasch den Kopf zu, die weiche Haut ihrer Wangen von der Kälte gerötet. Doch er spürte, dass es kein Schaudern des Grauens war, der sie erfasste, das sah er in ihren Augen und hörte es am ruhigen Takt ihres Atmens. Es war ein Schauder der Erregung.
»Nein, mein Freund«, sagte sie. »Du, Chang An Lo, bist derjenige, der diese Operation geplant hat, der uns hierhergeführt hat. Wir sind dir gefolgt, also wirst du doch nicht …« Ihre Stimme erstarb, weil sie nicht gewillt war, den Worten Leben einzuhauchen.
»Nein, ich werde meinen Plan nicht ändern.«
»Gut. Der Zug kommt, sagst du.«
»Ja. Bald. Und die Dungfresser Tschiang Kai-scheks verdienen den Tod. Sie schlachten unsere Brüder ab, ohne zu zögern.«
Sie nickte entschlossen. Ihr Atem stieg wie eine Wolke in die graue Luft empor.
»Wir befinden uns im Krieg«, sagte Chang, die Augen auf die Waffe an seinem Gürtel gerichtet. »Menschen sterben.«
»Ja, ein Krieg, den wir gewinnen werden, damit der Kommunismus den Menschen in China Gerechtigkeit und Gleichheit bringt.« Dort oben auf dem gottverlassenen Felsvorsprung in den Bergen lächelte Kuan Chang zu, und er spürte, wie dieses Lächeln den äußersten Rand der kalten Leere erwärmte, die schwarz und hohl in der tiefen Grube seiner Brust lag.
»Lang lebe unser großer und weiser Anführer Mao«, sagte Kuan inbrünstig.
»Lang lebe unser Anführer«, sprach Chang es ihr nach.
All seine Zweifel lagen in diesen Worten. Mit eigenen Ohren konnte er die Schwäche in ihnen hören, kleine Würmer der Skepsis, die sich tief in sein Bewusstsein bohrten, doch Kuans Augen funkelten vor Überzeugung, voller Freude darüber, dass er ihr die Worte nachgesprochen hatte. Ihre zarten Ohren hatten noch nichts von den Würmern wahrgenommen.
Chang erhob sich und holte tief und langsam
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