Die Sehnsucht der Konkubine
deiner Schwester, was Sache ist.«
»Lass sie doch mitkommen.«
»Denk dran, was ich dir gesagt habe, Alexej. Ein wor hat keine Familie außer den wory w sakone .«
»Ich erinnere mich gut. Aber lass sie trotzdem mitkommen.«
Und so hockte sie nun zusammengekauert neben ihm im Wagen, das Gesicht an die Scheibe gedrückt, weil sie die Vorgänge auf der Straße so aufmerksam verfolgte wie eine Katze, die einen Schmetterling jagt. Ihre Finger tippten einen unregelmäßigen Rhythmus an das Fensterglas.
Es dauerte eine Stunde. Viermal fuhren sie an dem Gefängnis vorbei, doch mit fünfzehnminütigen Abständen dazwischen, um kein Misstrauen zu erregen. Nachdem er beim ersten Mal erschrocken war, fand Alexej den Gedanken, dass sein Vater hinter diesen Mauern saß, immer leichter zu ertragen. Er wusste, was er zu erwarten hatte. Dicke, graue Mauern. Stacheldraht obendrauf. Metalltüren, die so groß waren, dass sie einen ganzen Lastwagen verschlucken konnten. Gitter vor den Fenstern. Auf der Straße patrouillierten Wachposten mit Hunden. Und das alles nur zum Schutz des dreistöckigen Gebäudes dahinter.
Nicht gut.
»Bist du ganz sicher, Lydia? Hier wird Jens festgehalten?«
Sie nickte. Seit sie mit dem Auto gen Norden aufgebrochen waren, wo die Häuser vornehmer waren, hatte seine Schwester kaum ein Wort gesprochen. Maxim lehnte sich in seinem Sitz zurück und zündete sich eine Zigarre an, zufrieden damit, dass das Mädchen vor Ehrfurcht verstummt war. Alexej hingegen war nicht so überzeugt.
Der Fahrer war ihm unbekannt, ein Mann, der schweigend den Wagen lenkte und Anweisungen mit einem unterwürfigen »Da, pakhan« quittierte. Sein ganzer Nacken war blau, weil eine breite tätowierte Schwertspitze aus dem Kragen hervorlugte und sich bis zum Haaransatz hochzog. Nachdem sie vier Mal an dem Gefängnis vorbeigefahren waren, beschlossen sie, kein Risiko mehr einzugehen, und lenkten den Wagen zurück in südlicher Richtung.
»Und?«, fragte Alexej Maxim. »Was ist mit dem Lastwagen, der angeblich die Gefangenen zu dem Gelände bringt, wo sie an ihrem Projekt arbeiten?«
»Mach dir keine Sorgen, mein Sohn. Das Gefängnis wird ab jetzt von unseren Leuten bewacht. Wir werden den Lastwagen verfolgen, wo auch immer er hinfährt.« Maxim schlug mit der Faust leicht auf Alexejs Knie. »Vertrau mir. Diese verdammte Geheimpolizei ist wie ein Hund, dem man einen Knochen vor die Nase hält und der dabei nicht merkt, dass ihm die Flöhe auf dem Rücken herumhüpfen. Bald wirst du es wissen.«
» Spassibo , Vater.«
Neben ihm kam Bewegung in Lydia. Ihre Augen starrten dem Bruder ins Gesicht. Er schaute stur geradeaus durch die Windschutzscheibe, strafte sie mit Missachtung. Während sie zurück in Richtung Stadt fuhren, wurden die Straßen breiter, und um sie herum schoss ein ganzer Wald aus monströsen kommunalen Wohnblocks aus dem Boden.
»Wir könnten mehr tun.«
»Was meinst du, kleines Mädchen?« Maxim schenkte Lydia einen gönnerhaften Blick.
Alexej sah, wie sehr sie diese Herablassung verärgerte, doch sie behielt sich unter Kontrolle.
»Ich meine, wir könnten versuchen, in das Gefängnis hineinzukommen.«
Alle Männer schauten sie verächtlich an.
»Du hast es doch gesehen«, sagte Alexej geduldig. »Es ist viel zu gut bewacht.«
»Glaube ich nicht.«
»Bitte Lydia, nicht …«
»Es müssen doch noch andere Leute rein und raus«, argumentierte sie. »Kohlelieferanten, Metzger, Bäcker, Sekretärinnen, Ärzte, Fensterputzer, Köche …«
»Ja, ist ja gut.«
»Könnten wir Jens nicht eine Nachricht über einen der Handwerker zukommen lassen?«
Maxim kurbelte das Fenster herunter, als wollte er ihre unpassenden Vorschläge mit einem Windstoß nach draußen befördern, und warf seinen Zigarrenstummel auf die Straße.
»Bring sie zum Schweigen, Alexej. Was sie sagt, ist unmöglich.«
»Wieso?«
»Lydia, bitte hör mir mal eine Sekunde zu«, warf Alexej ein. »Was du da vorschlägst, ist viel zu gefährlich. Unmöglich, das zu tun, ohne Verdacht zu erregen und vielleicht alles zu vermasseln, wenn wir die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes auf das ziehen, was wir vorhaben. Die Leute reden. Das weißt du. Wenn du anfängst, irgendwelche Arbeiter zu bitten, ihm eine Nachricht hineinzuschmuggeln, werden sie es jemandem weitererzählen, der es wiederum der Polizei meldet, um sich bei ihr irgendwelche Vorteile zu verschaffen. Gerüchte verbreiten sich hier sehr schnell. Und das würde nicht nur uns in Gefahr
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