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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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öffnete die Augen. »Was für einen Eindruck hattest du von ihm?«
    »Wie du ihn mir beschrieben hast. Ein großer Mann mit ausgeprägten Gesichtszügen und – das wird dich freuen – immer noch ein stolzer Mann. Das haben all die Jahre nicht zerstören können. Sein Wikingerkampfgeist hat überlebt.«
    » O Chang, ich danke dir.«
    Eine Weile sagte er nichts mehr, und sie ließ seine Worte auf sich wirken. Ganz allmählich versiegten ihre Tränen. Ein letztes Mal ging ein Schluchzen durch ihre Glieder, dann verebbte es. Nur der Schmerz in ihrer Brust blieb, und damit konnte sie leben.
    »Papa«, flüsterte sie, ein Wort, das so zart war, kaum mehr als ein Hauch in der Luft. Sie hörte das Lachen ihres Vaters. Dachte daran zurück, wie sein Schnurrbart sie an den Rippen gekitzelt hatte, wenn er sie neckte. Sie setzte sich auf und blickte in Changs aufmerksames Gesicht.
    »Was verschweigst du mir?«
    »Nichts von Bedeutung.«
    »Die Wahrheit, Geliebter. Ich will die Wahrheit wissen.«
    »Ach Lydia, hab Geduld. Lass dir Zeit.«
    »Ich habe keine Geduld. Ich habe keine Zeit. Sag mir alles.«
    Chang stand vom Bett auf.
    »Was ist es?«
    Er stand mit dem Rücken zum Fenster und schaute ihr direkt ins Gesicht. »Der Mann, den ich heute gesehen habe, ist immer noch dein Vater, Lydia. Er hat das gleiche Feuer in den Augen, das gleiche stolz erhobene Kinn und«, sie hörte, wie er zögerte, und fragte sich, was nun wohl kommen würde, »genau die gleiche Art, dich mit einem einzigen Blick herauszufordern.«
    Sie legte die Hände in ihren nackten Schoß und zwang sie dazu, dort liegen zu bleiben.
    »Doch Lydia, ein Mann von dieser Entschlossenheit und diesem Stolz gehört unweigerlich zu denjenigen, die in den Arbeitslagern am meisten zu leiden haben. Man versucht dort, sie zu brechen, denn sie stellen eine Bedrohung des Systems dar.«
    Sie nickte.
    »Sein Haar ist weiß, obwohl er erst Anfang vierzig ist. Reines Weiß. Wie der Schnee von Sibirien.«
    Wieder nickte sie. Bohrte die Zähne tief in ihre Zunge.
    »Seine Nase ist krumm. Wahrscheinlich mehrfach gebrochen. Und einige Zähne fehlen.«
    Der Schmerz in ihrer Brust wurde schärfer.
    »Seine Hände sind schlimm vernarbt. Aber nach mehr als zehn Jahren in den sibirischen Hochwäldern kann er von Glück reden, überhaupt noch Hände zu haben. Dennoch scheint er sie uneingeschränkt gebrauchen zu können, denn sonst wäre er nicht für das Projekt hier in Moskau ausgewählt worden.«
    Sie sagte nichts, zog jedoch die Knie fest unter ihr Kinn und schlang die Arme um die Schienbeine, als wollte sie sich zu einem Päckchen verschnüren. Er gab ihr Zeit zum Nachdenken. Ließ in ihrem Kopf die Bilder erstehen.
    »Gibt es noch mehr?«, fragte sie schließlich.
    »Ist das nicht genug?«
    Sie versuchte sich an einem Lächeln. »Mehr als genug.«
    Da musste etwas an ihrer Stimme gewesen sein, etwas, das ihr selbst nicht bewusst war und Chang dazu veranlasste, zum Bett zurückzukehren, auf der zerknitterten Decke Platz zu nehmen und die Arme um sie zu schließen. Sanft wiegte er sie hin und her. Er küsste sie auf den Kopf und wiegte sie.
    »Er weiß, dass du hier bist.«
    »Die nächste Straße ist es, Alexej.«
    Maxim Woschtschinski wies nach rechts, und der Wagen wurde langsamer, bevor er in die Kurve ging. Ein Pferdefuhrwerk zockelte vorbei, und irgendwo betätigte jemand ungeduldig seine Hupe. Es war mitten am Nachmittag, und die Straßen waren befahren, die Gehsteige voll. Der Himmel über ihnen war grau und leblos. Doch in der schwarzen Limousine waren die Nerven angespannt. Sie saßen zu dritt auf dem Rücksitz, Alexej in der Mitte, Maxim zu seiner Rechten, Lydia links. Vorne hockte Igor etwas schief auf seinem Beifahrersitz, weil seine Augen ständig nach hinten zu Lydia huschten, der er voller Unbehagen und Misstrauen begegnete. Frauen gehörten nicht zu den wory, außer um die Männer zu umsorgen und zu unterstützen, weshalb sowohl Maxim als auch Igor Lydia als unwillkommenen Eindringling betrachteten. Trotzdem hatte sie darauf bestanden mitzukommen.
    »Ich bin diejenige, die euch den genauen Standort des Gefängnisses angegeben hat«, hatte sie beiläufig betont. »Also habe ich auch ein Recht, es zu sehen.«
    »Njet« , hatte Maxim lachend erwidert und ihre Bitte mit einem lässigen Wedeln der Hand abgetan. So wie man eine lästige Fliege verscheucht. »Du wartest hier.«
    »Nein, ich komme mit.« Sie hatte die Wagentür geöffnet und war eingestiegen.
    »Alexej, sag

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