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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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wie er ausschritt, und daran, wie er die Hand in der Nähe seines Oberschenkels hielt, wo er sich, wie sie wusste, unter der Hose ein Messer umgeschnallt hatte. Doch wenn sie zu ihm hinüberschaute, wirkte sein Gesicht ruhig, die Augen konzentriert.
    Die Straße, in der sie sich befanden, war grau. Graue Wände, dicke, graue Regenfallrohre, mit grauem Eis überkrustet, graue Luft, die in einem Schwall in ihre Richtung geweht wurde. Graue Balkone hingen wie am seidenen Faden an den rissigen Mauern.
    »Es ist nicht klug, Lydia«, hatte Chang sie gewarnt.
    »Bitte, mein Geliebter.«
    »Du würdest nur wieder den Drachen in den Schwanz kneifen.«
    »Der Drache schnarcht wie ein Neujahrszecher in seinem Bau. Er weiß nicht mal, dass ich hier bin.« Doch als sie die Düsternis in seinen Augen gesehen hatte, fügte sie schlicht hinzu: »Ich brauche das, Chang An Lo. Ich muss es mir mit eigenen Augen noch mal anschauen.«
    Er hatte genickt. »Dann sollst du das auch.«
    Das Gefängnis lag jetzt zwei Häuserblocks vor ihnen. Sie schwiegen, waren sich durchaus der Wachhunde bewusst, die anschlugen, als sie sich näherten, und der Wachposten in ihren grauen Mänteln und mit Gewehren auf dem Rücken. Chang und Lydia hielten sich auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, drückten sich eng an den Gebäuden vorbei. Es war offensichtlich, dass die Straße früher einmal eine Allee mit anmutigen Villen und schattigen Bäumen gewesen war, doch davon war nichts mehr übrig. Blocks mit Behördenbüros säumten nun die Straße, und die moosüberwachsenen Baumstümpfe an der Bordsteinkante waren nur noch ein ferner Abklatsch der früheren Baumpracht.
    Lydia zwang sich dazu, nicht zu dem Gefängnis hinzustarren. Hier draußen auf der Straße am Gefängnis vorbeizugehen, war ein ganz anderes Gefühl, als in der Behaglichkeit von Maxim Woschtschinskis Wagen eingesperrt zu sein. Hier draußen lag alles offen. Der Schmerz war schärfer. Die Wände wirkten höher, die Tore uneinnehmbar. Doch hier konnte sie lauschen, ob sie Jens Friis hören konnte. Das Pulsieren seines Denkens. Sein Atmen, sein Seufzen, seine Stimme.
    Seine Stimme. Sie hatte Chang gar nicht gebeten, ihr den Klang seiner Stimme zu beschreiben. Wie konnte sie bloß etwas so Intimes übersehen haben?
    Papa, kannst du mich hören? Spürst du, dass ich hier bin?
    Sie gestattete sich einen einzigen Blick, nur ein winziges Drehen des Gesichts, ein schnelles Schauen, das war alles. Dann zog sie den Kopf wieder ein, und sie eilten weiter. Doch ein Teil von ihr blieb dort auf dem grauen Gehsteig zurück, inmitten des Eises und der Baumstümpfe, und er blieb, um zu wachen und zu warten.
    Chang flocht ihr das Haar, ordnete die Strähnen mithilfe schmaler Seidenbänder zu immer neuen Zöpfchen. Er spürte, wie die rhythmische Bewegung sie beruhigte, wie sie ihr half, das innere Beben in ihr, das er mit den Fingerspitzen durch die zarte Schädeldecke hindurch erspürte, zu beruhigen.
    »Lydia, was genau möchtest du von Jens Friis? Was wünschst du dir so sehr, dass du bereit bist, Risiken einzugehen, die uns alle in Teufels Küche bringen könnten?«
    »Er ist mein Vater«, sagte sie.
    Er verflocht ein weiteres Band mit einer flammenden Haarsträhne. »Aber was tust du hier in Russland? Bist du auf dem Weg zu Jens? Oder willst du weg von China?«
    »Was meinst du mit weg von China? Warum sollte ich vor China weglaufen?«
    »Weil deine Mutter dort gestorben ist.«
    Sie sagte nichts. Ihre Hände lagen reglos an der Seite, und er fragte sich, wie viel Kraft sie das wohl kostete.
    »Deine Mutter ist dort gestorben, eines gewaltsamen Todes, und ich bin weggegangen, um gegen die Kuomintang zu kämpfen, und hab dich zurückgelassen. Meine chinesischen Feinde haben dich grausam behandelt.« Er küsste sie auf den Nacken. »Du hattest jeden Grund zum Weglaufen. Aber dein Vater ist aus deinem Leben verschwunden, als du erst fünf warst, weshalb du ihn kaum kennst. Warum hängst du dich also so an ihn?«
    »Er ist mein Vater«, sagte sie wieder. Es war nur ein Flüstern.
    Er streichelte ihre nackten Schultern.
    »Ich habe meine Mutter sterben lassen«, sagte sie. »Ich kann meinen Vater nicht auch noch sterben lassen.«
    »Der Tod deiner Mutter war nicht deine Schuld. Er war das Werk der Götter, ein Zufallsmoment, als ein Racheakt die Falsche traf. Du warst dafür in keiner Weise verantwortlich.«
    »Ich weiß.«
    »Und dein Vater stirbt nicht.«
    »Aber er lebt auch nicht.«
    »Das kannst du

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