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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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ausstieß.
    Voller Respekt für den Toten – auch wenn es sich um Wolfsauge handelte – rollte er den Teppich sorgfältig bis an die Kante des Grabes, doch als er den Toten aus dem Teppich befreien wollte, machte die Ehefrau einen Schritt vorwärts.
    »Lass mich«, sagte sie.
    Er trat zurück, während sie mit langsamen, zögerlichen Bewegungen den Leichnam ihres Mannes aus seiner Hülle befreite und in das flache Grab rollen ließ, so sanft, als wäre er ein schlafendes Kind.
    »Gute Nacht, Dmitri«, flüsterte sie leise. »Gott schenke deiner Seele Frieden.« Tränen flossen wie ein klares Rinnsal über ihre Wangen.
    Chang beugte den Kopf und übergab den Geist des Russen an seine Ahnen, aber als er sich nach Lydia umsah, stand sie steif neben einem Baum, die Arme störrisch vor der Brust verschränkt. Was war es, das sie so verstörte? Die schreckliche Leere, die der Tod verursachte? Oder das ähnliche Loch, das auch ihre Mutter vor wenigen Monaten verschlungen hatte? Er atmete langsam, um sein Blut zu besänftigen, das wie ein züngelndes Feuer durch seine Adern raste. Oder sah sie das Ende ihres Vaters voraus, weil ihre Ängste dem Tod wieder einmal ins Auge geblickt hatten? Dort draußen im Wald war das Leben eine heikle Angelegenheit. Wie ein seidener Faden, der silbrig und fein im Mondlicht glitzerte.
    Er griff erneut zur Schaufel und begann die Leiche Dmitri Malofejews mit schwarzer russischer Erde zu bedecken. Was er nicht erwähnte, war, dass noch vor Morgengrauen die Wölfe zur Stelle sein würden, um mit ihren Klauen das Grab zu öffnen.
    Sie wuschen sich gegenseitig. Chang liebte es, wenn ihre Hände seine Haut berührten, ebenso wie den Anblick ihrer flammenden Mähne, die sich über ihre Schulterblätter ergoss. Zusammen seiften sie sich den Schmutz des Tages von ihren Körpern, ebenso wie von ihren Seelen, und danach liebten sie sich. Sie hatten keine Eile, während sie sich gegenseitig erkundeten und liebkosten, sich an verborgenen Stellen streichelten und mit den Lippen die Kurve eines Halses, die Kuhle in einer Leiste, den geschwungenen Bogen eines Fußes oder die Härte einer Brustwarze kosteten.
    Es war, als würden sie sich noch einmal neu entdecken, am Ende eines Tages, der etwas zwischen ihnen verändert hatte. Als er in sie eindrang, lernte er von Neuem den Klang ihres Liebesseufzens, hörte ihr leises Wimmern, als er begann, langsamer, rhythmischer zu stoßen, spürte, wie sie ihre Nägel in seinen Rücken grub, als wollte sie ihm das Herz aus dem Leibe reißen. Hinterher, die Wange flach auf ihrem Bauch, den salzigen Geschmack von Schweiß auf der Zunge, musste er wohl eingeschlafen sein, denn als er plötzlich wieder hochschreckte, spürte er, dass Lydia sich bewegt hatte. Sie kniete neben ihm auf dem Bett, das Mondlicht badete ihr Haar in einem silbrigen Schimmer. Auf ihren ausgestreckten Handflächen lag sein Messer. Sie hatte es aus seinem Stiefel gezogen.
    »Du warst es, nicht wahr, Chang An Lo?«
    Er spürte, wie ihm das Blut durch die Adern rauschte, doch er lag vollkommen still da.
    »Was war ich?«
    »Dort im Wald.«
    »Natürlich war ich das. Wir waren zusammen dort. Ich habe dir geholfen, deinen …«
    »Nein.« Sie drehte und wendete die Klinge in ihrer Hand, so wie sie vielleicht ihre Gedanken hin und her wendete, berührte das Einhorn, das in den Elfenbeingriff geschnitzt war. »Du weißt, was ich meine.«
    Das Haar hing ihr ums Gesicht, verbarg es hinter seinem verschwiegenen Schatten.
    »Ja, Lydia, ich weiß, was du meinst.«
    »Im Wald mit den Soldaten. Vier von ihnen waren tot.«
    Er lauschte ihren Atemzügen. Sie waren schnell und flach.
    »Ich konnte es nicht ertragen, dich sterben zu lassen«, antwortete er.
    »Es war also nicht Maxim Woschtschinski?«
    »Nein.«
    »Woher wusstest du, wo ich war?«
    »Das war nicht schwer, du bist Teil meines Herzens. Wie konnte ich denn nicht wissen, wo es schlug?«
    Aber so wollte sie sich nicht abspeisen lassen. »Sag mir, wie.«
    »Du hast erwähnt, du würdest mit Woschtschinskis Wagen unterwegs sein. Es war nicht besonders schwer zu erraten, wo ihr hinfahren würdet.«
    »Dann wusstest du es? Du wusstest bereits, wo das Gelände liegt, auf dem mein Vater arbeitet?«
    »Ich habe einen Kameraden, der ebenso gut im Aufspüren von Lastwagen ist wie jeder Moskauer wor.«
    »Kuan?«
    »Nein. Ein guter Herzensfreund namens Biao.« Er nahm ihr das Messer aus den Fingern und legte es beiseite. »Du musst vorsichtig sein, mein Liebes.

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