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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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stark für sie. Sie saßen zusammengekauert hinter einem Baum, der weit ab von der Straße lag, und sie roch den würzigen Duft seiner Rinde, der sich über ihre Angst legte, trotzdem waren die Schüsse und Schreie in der Dunkelheit unerträglich für sie. Sie musste dorthin.
    »Bitte, Chang An Lo, lass mich …«
    Er legte ihr eine Hand vor den Mund und lauschte angestrengt den Geräuschen von der Straße. »Man hört jetzt weniger Gewehre.«
    Genau in diesem Moment biss sie ihn.
    Die Panik in dem Lastwagen war greifbar. Sie wand sich wie eine Schlange durch die Finsternis und drohte Jens zu ersticken. Menschen schrien, wüteten. Sie hämmerten gegen die Metalltüren, bettelten darum, hinausgelassen zu werden. Das Gewehrfeuer draußen war ohrenbetäubend, hallte wider und wider, während sich eine Kugel nach der anderen in die Seiten des Lastwagens bohrte. Eine traf einen Reifen, und sie spürten ihn in sich zusammensinken wie einen Betrunkenen, der langsam zu Boden geht. Draußen im Wald starben Menschen. Glas splitterte, Schmerzensschreie, der Tod, der über Herzen und Lungen hinwegtrampelte.
    Jens saß auf der Bank, die Hände vors Gesicht geschlagen, und versuchte nachzudenken, doch die Dunkelheit, der Lärm und die Panik um ihn herum hinderten ihn daran. Tu das nicht, Lydia. Nicht. Nicht ausgerechnet heute, meine Tochter. Dieser Tag heute sollte mir die Erlösung bringen.
    Wir kommen dich holen. Das hatte sie in ihrem Brief geschrieben.
    Plötzlich hob Olga sein Gesicht an und küsste ihn auf die geschlossenen Augen. »Das hier ist der Abschied«, flüsterte sie.
    Er wusste, dass sie Recht hatte. »Ich hoffte, du findest deine Tochter wieder, Olga.« Er küsste sie auf die Wange.
    Elkin brüllte in Richtung Türen, als plötzlich die Schüsse aufhörten. Alle holten tief Luft, alle lauschten, alle spürten, wie ihr Puls raste.
    »Raus hier«, schrie jemand von draußen, und die Türen des Lastwagens wurden aufgerissen.
    Alexej stand am Waldesrand, und etwas in ihm zögerte, sich dem Lastwagen zu nähern. Auf der Schotterstraße lagen neun Tote, zusätzlich zu dem einen, der zusammengesunken in dem NAMI -1 saß. Er hatte diesen Platz für den Hinterhalt ausgesucht, weil der Hangar zu weit weg war, als dass sie dort die Schüsse hören konnten, doch er blieb nach wie vor in Deckung. Er war sich unsicher, wie er auf Jens zugehen sollte, und wünschte sich zum ersten Mal, Lydia wäre hier.
    Jetzt purzelten die Gefangenen einer nach dem anderen aus dem Lastwagen, blinzelten in das Scheinwerferlicht des letzten Wagens und klammerten sich dabei aneinander, als fürchteten sie, auseinandergerissen zu werden. Jemand weinte, einer schrie den Rettern Verwünschungen zu. Die wory hatten kein Interesse an den Gefangenen, pferchten sie jedoch in einer Gruppe zusammen, so wie man Vieh auf dem Schlachthof zusammengetrieben hätte. Alexej hatte Jens Friis schnell entdeckt. Er war größer als die Übrigen und stand etwas abseits, ohne die schwarz gekleideten Männer zu beachten, die den Konvoi gestoppt hatten. Er spähte angestrengt in die Dunkelheit, ließ seinen Blick über die Autos, über die Straße ebenso wie über den dichten Wald wandern. Er suchte nach etwas. Oder nach jemandem.
    Lydia. Jens suchte nach Lydia.
    Sein Äußeres war wie ein Schock für Alexej. Das rote Haar war verschwunden und einer weißen Mähne gewichen. Obwohl Lydia ihn vorgewarnt hatte, war dieser Anblick dennoch erschreckend. Jens’ Gesicht war hager und zerfurcht, das Kinn hart. Nur seine Haltung war nach wie vor die gleiche. Und der Zug um seinen Mund. Was auch immer in Jens Friis gestorben war, die sanften Linien seines Mundes hatten überlebt und weckten in Alexej die Versuchung, hinüberzulaufen und ihn zu umarmen. Doch dann kam ihm wieder die Kühle seines Briefes in den Sinn.
    »Danke, spassibo .« Eine magere Frau küsste Igor die Hand und machte sich die Straße entlang auf den Weg, weg von den Hangars.
    »Sei nicht so verdammt blöd«, rief ihr ein kleiner Mann hinterher. »Die werden dich fangen und erschießen.« Wütend fuhr er zum Rest der Gruppe herum. »Wir werden alle dafür bezahlen, wenn sie geht.«
    »Vielleicht soll nur unsere Loyalität auf die Probe gestellt werden«, rief ein anderer.
    Andere stimmten ihm zu.
    »Kommt, wir gehen. Das ist unsere Chance.«
    »Nein, man hat uns die Freiheit versprochen.«
    »Wir können hierbleiben und weiter für sie arbeiten, oder wir fliehen. Entscheidet euch schnell.«
    Was würde Jens

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