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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Reisetasche zurück. Es war jeden Abend das Gleiche: das Auspacken, das Aufräumen, das Wiedereinpacken, und wenn das getan war, tätschelte sie die Tasche wie einen alten Hund.
    »Also dann. Alles erledigt«, sagte sie leise.
    Schließlich legte sie sich auf ihr eigenes Bett und kuschelte sich an die Tasche, als könnte allein ihr aufgeräumtes Reisegepäck den Tumult, der in ihr herrschte, in Schach halten. Sie drückte die Wange an die Stoffseite, atmete tief ihren Geruch nach Ruß und Zigaretten ein.
    Alexej wollte sie nicht bei sich haben. Popkow verzehrte sich nach dieser Frau. Ihr Vater erinnerte sich vielleicht gar nicht mehr an sie. Und Chang war zweitausend Meilen von ihr entfernt. Sie presste die Wange noch mehr an den rauen Stoff und schloss beide Arme so fest um die Tasche, dass sie spürte, wie die Griffe in ihre Haut schnitten. Und sie packte sie noch fester. Ihr Leben war aus den Fugen geraten, doch sie war entschlossen, es zusammenzuhalten.

ZEHN

    C hang An Lo hatte nicht damit gerechnet, Blut zu sehen, nicht hier, nicht jetzt.
    Allein mit seinen Gedanken hatte ihm der lange Ritt durch den Dschungel der Jinggang-Berge Freude gemacht. Sein Pferd, eine kleine, muntere Stute, suchte sich geschickt ihren Weg über die unbefestigten Pfade in Richtung der Stadt Zhandu. Die Luft war schwer und feucht, erfüllt von schwirrenden Insekten, und mit jeder Meile, die er weiter nach Süden kam, stieg die Temperatur. Er ritt in gemächlichem Tempo, das angenehm für sein Reittier und ihn selbst war. Keiner von ihnen hatte es eilig. Der Untergrund war trügerisch und schlüpfrig, so dass das Pferd immer wieder ausrutschte.
    »Beruhige deinen Geist, kleines Mädchen«, murmelte er dem Pferd ins Ohr.
    Er legte eine Hand an den muskulösen Hals und schnalzte mit der Zunge. Nur ein Mal hatte er absteigen und die Stute am Zügel vom Pfad wegführen müssen, hinab in die dichte Vegetation einer tiefen Senke, die von einer Dunstschicht eingehüllt war. Sie hatte keinen Mucks gemacht und stand ganz still mit angelegten Ohren neben ihm, und seine Hand lag fest in ihrer Mähne, während ein Trupp Reiter vorbeikam. Es hätten Soldaten der Roten Armee sein können, aber Chang wollte kein Risiko eingehen. Sie befanden sich in Banditenland.
    Erst auf dem Feldweg vor der Bergfestung von Zhandu brachte er sein Pferd zum Stehen. Direkt vor ihm war ein gabelförmiger Holzrahmen in den Boden gerammt, und ein Mann war mit Riemen aus Rohleder daraufgeschnallt. Sein Oberkörper war nackt, sein Kopf hing schlaff herab, und die Augen waren geschlossen, als wäre er gelangweilt, weil er zum Nichtstun verdammt war, und erschöpft von der unerbittlich scheinenden Sonne, nur eingedöst. Doch Chang wusste, dass der Mann nicht schlief. Eine schillernde Kruste aus Fliegen saß auf seiner Brust und bewegte sich wie ein träger Öltropfen über seine Haut.
    Es war unmöglich zu sagen, wie lange er wohl als Warnung für andere Deserteure der Roten Armee hier gehangen hatte, bis der Tod ihn erlöst hatte, aber die drei Wunden in seiner Brust, wo spitz zugefeilte suo-biao eingedrungen waren, hatten seinem Leben gewiss ein willkommenes Ende bereitet.
    Chang holte tief Luft, um die in ihm aufsteigende Wut zu unterdrücken, und empfahl den wertlos gewordenen Geist des Soldaten seinen Ahnen. Hier oben in den Bergen waren die Götter nah, fast sichtbar im Dunst, und ihre Stimmen hallten in den Bambushainen wider. Wenn die Zeit eines Mannes gekommen war, war das hier ein guter Platz zum Sterben. Er verneigte den Kopf vor dem toten Soldaten und trieb die junge Stute in Richtung Stadt.
    Die Hauptstraße von Zhandu war gepflastert und voller Menschen. Ein Karren, mit Felsbrocken beladen, rollte vorbei, und das Rumpeln der Holzräder klang wie Donner in Changs Ohren. Er hatte sich zu sehr an die Stille gewöhnt.
    Die kleine Stadt war regelrecht aus dem Gestein des Berges herausgemeißelt worden, und die Leute hier führten einen täglichen Kampf gegen den umliegenden Dschungel. Kostbare Pflänzchen von Reis und Papaya sprossen auf den Terrassen, ein leuchtendes, frisches Grün, das so ganz anders war als die düsteren Schattierungen des Dschungels ringsum.
    Die Häuser hatten meistens nur ein Stockwerk, waren aus Holz und Bambus gebaut und mit grauen Schindeln gedeckt, eine muntere kleine Siedlung, die sich um die gepflasterten Straßen scharte. Ein paar Rikschas holperten an Chang vorbei, die Fahrer unter ihren weiten Kulihüten schwitzten und betrachteten

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