Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
jung, aber sehr vernünftig. Sollten Sie … ich meine, es ist so üblich, dass sich fast jeder hier noch indische Geliebte nimmt. Ich glaube nicht, dass Harriet das stören würde.«
Er wischte sich abermals über die Stirn, als er sah, wie Charles’ Gesicht sich verschloss. »Harriet ist vielleicht manchmal ein wenig … schwierig, aber ein gutes Mädchen. Sie ist offen und aufrichtig, klug, gebildet und …«
»Sie ist eine der hübschesten und liebenswertesten Frauen, die ich je getroffen habe«, unterbrach ihn Charles mit einem Nachdruck, der ihn und seinen Gesprächspartner gleichermaßen erstaunte.
Ein langsames Lächeln glitt über Sir Percivals Gesicht. »Sie haben Harriet also schon genauer angesehen«, sagte er schließlich. »Das tun nur wenige. Die meisten lassen sich von ihrer selbstbewussten Art abschrecken oder behandeln sie wie ein Geschäft, das ihnen eine gute Mitgift einbringen soll. Aber ich als ihr Vater fand immer, dass es sich auszahlt, sie genauer zu betrachten.«
»Das tut es wirklich«, brummte Charles. Aber das hieß nicht, dass er sie deshalb gleich heiraten wollte. Um Sir Percivals fragendem Blick zu entgehen, schlenderte er zum Fenster und sah beiläufig hinaus in den Park.
Dort war Harriet. Die ranke Gestalt, das leuchtende Haar stachen aus der üppigen Blütenpracht des Gartens heraus. Lan Meng, die sich nie weit von ihrer Freundin entfernte, saß mit untergeschlagenen Beinen im Schatten eines blühenden Jasminbusches und sah verträumt vor sich hin. In diesem Moment trat Lady Elisabeth zu Harriet und legte ihr eine Hand auf den Arm. In ein ernstes Gespräch vertieft, schritten sie gemeinsam über den Rasen, als Harriet plötzlich den Kopf schüttelte, dass ihre Locken wild durcheinanderflogen. Sie wirkte verärgert. Dann wirbelte sie herum und eilte mit langen Schritten quer über den Rasen, so dass ihr Haar und ihr Kleid hinter ihr herwehten. Charles lächelte leicht. Er hatte keine Ahnung, womit Lady Elisabeth Harriets Unmut erregt hatte, aber es gab nur wenige Frauen, die bei diesem Ungestüm immer noch anmutig wirkten.
Das Mädchen gefiel ihm tatsächlich. Es imponierte ihm, wie sie durch die Straßen von Kalkutta lief, als wäre sie ein Teil davon, und sich nicht wie die meisten englischen Ladys naserümpfend in Sänften oder ihre vornehmen Häuser zurückzog. Sie hatte Herz und Humor. Und ein bisschen Jähzorn. Sie wäre zweifellos auf Sullivan losgegangen, hätte er sie nicht zurückgehalten; das Funkeln ihrer Augen war selbst in der Nacht noch deutlich sichtbar gewesen. Und dann ihr blasses Gesicht, der traurige, halb verlangende Ausdruck in ihren Augen, als sie Jahan angeblickt hatte.
Charles ballte langsam die Hand zur Faust. Er wandte sich vom Fenster ab, ging im Raum auf und ab und ließ Sir Percival warten. Er musste nachdenken. Der Gedanke, Harriet Dorley an sich zu binden, war nicht unangenehm. Im Gegenteil. Da war er wieder, dieser unsinnige Wunsch, eine Frau zu bekommen, die ihn zumindest schätzte und die er ebenso achten konnte. Jemanden zu haben, der zu ihm gehörte, der auf ihn wartete, wenn er unterwegs war. Eine Ehe zu führen, die auf Freundschaft und gegenseitigem Respekt basierte. Mit Harriet wäre eine solche Gemeinschaft, sogar ein Heim möglich. Etwas, das er niemals gehabt und worum er immer alle beneidet hatte.
Was könnte ihm in der Tat Besseres passieren, als in diese Familie einzuheiraten? Sir Percival würde sich hüten, den Mann seiner Tochter an den Galgen zu bringen, selbst wenn er herausfände, dass dessen Geschäfte noch illegaler waren als vermutet.
Er blieb stehen und fixierte Sir Percival. »Haben Sie mit Harriet darüber gesprochen? Und hat sie erkennen lassen, dass Sie mich als Ehemann akzeptieren würde?« Er war erstaunt, wie hart sein Herz bei dieser Frage schlug. Wäre es tatsächlich möglich, dass Harriet wärmere Gefühle für ihn entwickelt hatte?
»Nein, nein«, Sir Percival rieb sich nervös die Hände. »Ihre Mutter hat ihr gegenüber zwar eine Andeutung gemacht, dass wir nichts gegen eine mögliche Verbindung hätten, aber sie ist nicht weiter darauf eingegangen. Es wäre auch besser, wenn der Antrag offiziell von Ihnen ausginge. Es würde Harriets Gefühle in dieser Sache schonen.«
Das stimmte allerdings. Es würde ihr gewiss nicht gefallen, von ihrem Vater auf diese Art angeboten zu werden. Das Bild von Harriets roten Lippen verursachte ein Ziehen, das in seinem Hals begann und viel tiefer endete. Hatte er
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