Die Seidenbaronin (German Edition)
Fuß zu fassen. Welcher von ihnen versteht sich gut auf die Herstellung von Samtstoffen?»
«Ich würde Ihnen Terbrüggen empfehlen», schlug Homberg vor.
Paulina fuhr herum. «Terbrüggen? Hat diese Manufaktur nicht schon vor dem Einmarsch der Franzosen ihre Produktion eingestellt?»
«Das ist richtig. Die Terbrüggens verließen Crefeld seinerzeit. Der Sohn ist nun zurückgekehrt und will sich in der Herstellung von Samtband versuchen. Er soll sehr tüchtig sein.»
«Ausgerechnet Terbrüggen», murmelte Paulina, die sich noch dunkel an ihre Anfangszeit in Crefeld erinnern konnte. Der junge Fabrikantensohn war ihr nie ganz geheuer gewesen. «Wir sollten dennoch nichts unversucht lassen. Setzen Sie sich mit Terbrüggen in Verbindung, Homberg!»
Bereits am Tag danach ließ Terbrüggen Paulina eine Nachricht zukommen, dass er bereit sei, ihr Angebot anzuhören. Paulina beschloss, sich bei der Gelegenheit gleich ein Bild von seinem Betrieb zu machen, und suchte ihn in seinem Kontor auf.
Terbrüggen hatte ein großes Geschäftshaus in der Neustadt bezogen. Als Paulina zu einem untersetzten, früh kahl gewordenen Mann geführt wurde, erkannte sie ihn zunächst nicht wieder. Aus dem zurückhaltenden, ein wenig linkischen jungen Mann von einst war ein selbstbewusster, stattlicher Herr geworden.
«Ich muss sagen, dass ich sehr neugierig auf Sie war», sagte er. «Schließlich durfte ich Ihre Ankunft in Erldyk vor mehr als zehn Jahren miterleben. Ich ahnte schon damals, als Sie plötzlich Pierre von Ostry heirateten, dass Sie ehrgeizige Ziele verfolgen. Wie ich sehe, haben Sie diese tatsächlich erreicht.»
«Ich bin kurz davor, Herr Terbrüggen», entgegnete Paulina. «Mein Buchhalter hat Sie bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass ich mich bei meiner Lieferung für die Mäntel der Pariser Senatoren Ihrer Unterstützung bedienen möchte. Ich habe den Auftrag unter der Maßgabe erhalten, dass die Stoffe pünktlich geliefert werden. Bei dem geforderten engen Zeitrahmen komme ich allerdings in Bedrängnis.»
«Man könnte also sagen, dass Sie sich ein wenig zu weit vorgewagt haben», meinte Terbrüggen überheblich.
Paulina musterte ihn misstrauisch. Dieser Mann hatte in den letzten zehn Jahren eine denkwürdige Wandlung vollzogen. Was mochte ihm zu seiner neugewonnenen Selbstsicherheit verholfen haben?
«Mich würde interessieren, warum Sie nach Crefeld zurückgekommen sind, Monsieur», sagte sie.
Terbrüggen hob die Augenbrauen. «Dasselbe müsste ich Sie fragen, Madame!»
«Ich wollte die Seidenmanufaktur meines Schwiegervaters weiterführen. In Ihrem Fall wurde das Unternehmen meines Wissens jedoch bereits vor dem Einmarsch der Franzosen aufgelöst.»
«Vielleicht ist es meine große Bewunderung für Kaiser Napoleon», sagte Terbrüggen mit einem undurchsichtigen Lächeln. «Es reizt mich, im Land eines Mannes zu leben, der den Code civil hervorgebracht hat. Nach Jahren der Willkür, Gewalt und Unsicherheit ist durch Napoleon endlich wieder Ordnung in Europa eingekehrt.»
«Ich finde nur, dass er sich nicht sehr von seinen Vorgängern auf dem französischen Thron unterscheidet», bemerkte Paulina.
«Dann, meine Liebe», sagte Terbrüggen mit einem merkwürdigen Unterton, «haben Sie das Wirken und die Politik des Napoleon Bonaparte nicht verstanden.»
«Ich bin nicht hier, um politische Grundsatzdebatten zu führen, Herr Terbrüggen. Für mich als Seidenverlegerin sind die derzeitigen Bedingungen allemal günstiger, als es die unsteten Zeiten unter der Direktorialregierung waren. Als Anhänger Napoleons müsste mein Auftrag Sie besonders interessieren. Aus unseren Stoffen werden die Samtmäntel gefertigt, welche die Senatoren bei der Kaiserkrönung tragen werden.»
«Die Arbeit daran wäre mir ein besonderes Vergnügen.»
Paulina konnte sich eines Gefühls des Unbehagens nicht erwehren. Andererseits musste sie Terbrüggen für sich gewinnen, schon allein deshalb, weil er ein so glühender Verehrer des Kaisers zu sein schien. Er würde alles daran setzen, eine rechtzeitige Lieferung zu gewährleisten, und das war im Augenblick das Wichtigste. Paulina wischte den vagen Zweifel beiseite, den sie aus irgendeinem Grund hegte, und fragte den Fabrikanten geradeheraus, ob er bereit wäre, die nötigen Stoffe für sie zu produzieren.
«Ich werde es mir überlegen», antwortete Terbrüggen zu ihrem Erstaunen.
Hatte Homberg nicht gesagt, dass der Kaufmann gerade erst dabei war, in Crefeld Fuß zu fassen? Musste
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