Die Seidenbaronin (German Edition)
Scheitern verurteilt. Ich konnte von Hardenberg davon überzeugen, zukünftig auf Ihre Dienste zu verzichten.»
«Finden Sie nicht, dass dies eine Sache zwischen von Hardenberg und mir ist?», meinte Paulina.
«Napoleon ist nach seinem Desaster in Spanien sehr sensibel für jegliche Form des Widerstands. Man darf den französischen Geheimdienst nicht unterschätzen. Ich möchte nicht, dass man Sie eines Tages ertrunken in der Seine treibend findet, Madame!»
«Glauben Sie, ich lasse meine Nachrichten an von Hardenberg mit der öffentlichen Post befördern?», erwiderte Paulina ungehalten.
Christian kam voller Zorn auf sie zugestürmt und fasste sie bei den Schultern. «Ich spaße nicht, meine Liebe! Durch die Geschichte mit Frédéric wird der Geheimdienst Ihnen erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Sie können froh sein, dass der dilettantische Aufstandsversuch des Jungen so glimpflich ausgegangen ist. Halten Sie sich in der nächsten Zeit um Himmels willen zurück! Keine Botschaften an von Hardenberg mehr, hören Sie!»
Paulina ließ entsetzt den Kopf sinken und schlug die Hände vors Gesicht. «Er ist nicht glimpflich ausgegangen», flüsterte sie.
«Was sagen Sie da?»
Mit brechender Stimme erzählte Paulina von Longeaux, Frédérics toten Kameraden und von einem Crefelder Fabrikanten, der lange für sie produziert und sich als Spitzel Napoleons erwiesen hatte.
Christian raufte sich die Haare. «Ist Ihnen das nicht Warnung genug? Sie müssten töricht sein, wenn Sie jetzt noch weitermachten. Ich habe bereits unserem Sohn erklärt, dass jeglicher Widerstand zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnlos ist. Eigentlich darf ich Ihnen das nicht sagen, und ich vertraue darauf, dass Sie keinen Gebrauch davon machen – aber wir arbeiten seit Jahren fest daran, den Staat Preußen und seine Armee von Grund auf zu reformieren. So etwas braucht Zeit und kann nicht von heute auf morgen geschehen. Irgendwann sind wir stark genug, um Napoleon niederzuschlagen, und dann werden wir zur Stelle sein!»
«Und was ist, wenn Napoleon in der Zwischenzeit noch mächtiger wird?», fragte Paulina.
«Das wird nicht geschehen, davon bin ich überzeugt. Ich glaube zwar nicht unbedingt an Weissagungen, aber im Sommer war eine als große Wahrsagerin bekannte Frau in Königsberg, die der Königin folgende Prophezeiungen machte: Luise werde noch vor Ende des Jahres nach Berlin zurückkehren. Die Jahre 1810 und 1811 würden noch schwer für Preußen werden. Im Jahr 1812 werde Napoleons Stern jedoch erbleichen, und in der Folge werde Preußen zu noch nie erreichtem Ruhm aufsteigen. Nun, die erste Prophezeiung hat sich bereits erfüllt.»
Er strich mit dem Handrücken über ihre Wange. Seine Augen hatten einen warmen Glanz bekommen.
«In diesen unruhigen Zeiten bleibt wenig Muße für zärtliche Begegnungen. Die Angelegenheit unseres Sohnes erfordert umgehendes Handeln. Der Junge kann keinesfalls länger hierbleiben. Wieder ist uns nur eine Nacht gewährt, meine Liebste, doch ich werde alles tun, um ihr bald weitere folgen zu lassen.»
Paulina spürte, wie ihr ganzer Körper von einer Welle der Leidenschaft erfasst wurde. «Sollen wir in den Stall gehen, oder begnügen wir uns diesmal mit weichen Daunen?», fragte sie lächelnd, bevor Christians Lippen sich auf ihren Mund senkten.
Sanft fuhr Christian mit dem Finger über Paulinas Rücken. Neben ihm ausgestreckt, den Kopf in die Hand gestützt, genoss sie das wohlige Gefühl ihres gesättigten Körpers.
«Frédéric muss fort von hier», sagte Christian nachdenklich. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Terbrüggen erfährt, dass der Junge in Erldyk ist. So, wie Sie diesen Mann beschrieben haben, wird er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich zu profilieren.»
«Aber wohin soll der Junge gehen?», fragte Paulina. «Nach Boltenhusen?»
«Auf keinen Fall! Er muss irgendwohin, wo er vor den Nachforschungen neugieriger Nachbarn sicher, aber dennoch bei vertrauten Menschen ist. Ich dachte an Ihre Verwandten in der Toskana.»
«Die Familie meiner Urgroßmutter Antonia?»
Christian richtete sich im Bett auf. «Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich damals, als wir uns in Trugenhofen kennenlernten, aus Italien kam. Ich hatte ein paar Wochen im Schloss des Barons Recci in der Toskana verbracht und dort das Bild Ihrer Urgroßmutter gesehen. Der Baron hatte einen Sohn in meinem Alter, der mittlerweile gewiss selbst eine Familie besitzt. Ich werde Frédéric nach Italien
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