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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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braunen Augen funkelten, und sie neigte den Kopf.
    «Wir werden uns gut verstehen, Fräulein Paulina. Ich bin sicher, dass wir Freundinnen sein können.»

Kapitel 7
    Darmstadt, April 1788
    Einige Monate später wurde Paulina erneut in den Salon mit dem schönen Blick auf den Marktplatz gerufen. Ein Diener holte sie aus dem Unterricht, und diese Störung der morgendlichen Lektionen kam einer mittleren Sensation gleich. Obwohl Paulina erst so kurz im Hause Hessen-Darmstadt lebte, wusste sie bereits genau, dass etwas Außergewöhnliches geschehen sein musste.
    Sollte ihre Zeit als Gesellschafterin bei Therese etwa schon vorbei sein? Die Gunstbezeigungen bei Hof änderten sich wie die Jahreszeiten, selbst in einem vergleichsweise bescheidenen Haus wie dem der Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Ein falsches Wort, eine unüberlegte Geste – und schon hatte man sich den Missmut der Höflinge zugezogen.
    Von düsteren Vorahnungen geplagt, betrat Paulina den Salon. Umso größer war ihr Erstaunen, als sie in der fülligen Frau, die gedankenversunken am Fenster stand und auf den Marktplatz hinausblickte, ihre Großtante erkannte. Frau von Bahros ohnehin strenger Gesichtsausdruck war noch ernster als sonst. Sie kam langsam auf Paulina zu und blickte ihre Großnichte eindringlich an.
    «Hast du dich gut hier eingelebt, mein Kind?», fragte sie in ungewohnt sanftem Ton. «Fühlst du dich wohl in diesem Haus?»
    Paulina nickte stumm.
    «Nun, Ihre Hoheit Prinzessin Marie ist sehr zufrieden mit dir», berichtete die Gräfin. «Sie hat mir erzählt, dass Therese viel lebhafter und zugänglicher geworden ist und dass ihr beide beste Freundinnen geworden seid. Außerdem berichtet Ihre Hoheit, dass Luise und Friederike dich geradezu vergöttern. Ich muss sagen, es freut mich außerordentlich, dies zu hören.»
    «Ja, die Prinzessinnen und ich sind einander sehr zugetan.»
    «Du könntest dir also vorstellen, im Dienst der Familie Hessen-Darmstadt zu bleiben?»
    «Ehrlich gestanden kann ich mir gar nichts anderes vorstellen.» Paulina versuchte, im Gesichtsausdruck ihrer Großtante irgendetwas zu entdecken, das ihr verriet, worauf dieses Gespräch wohl hinauslaufen mochte.
    Ein Hauch von Erleichterung machte sich in den Zügen der Gräfin breit. «Nun, dann solltest du alles daransetzen, dass sich an diesem Zustand nichts ändert.»
    «Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz …», murmelte Paulina.
    Frau von Bahro stieß einen tiefen Seufzer aus.
    «Die Gunst der Mächtigen kann so vergänglich sein – das hat schließlich gerade deine Familie schon leidvoll erfahren müssen.»
    Paulina war nun aufs höchste beunruhigt. «Habe ich etwa Anlass zur Klage gegeben?»
    «Nein, mein Kind, keine Sorge. Verzeih mir, wenn ich dir einen Schrecken eingejagt haben sollte. Aber ich habe einen besonderen Grund, mit dir über derart unangenehme Dinge zu reden.»
    Paulinas Herz begann, wie wild zu klopfen. «Es ist kein erfreulicher Grund, nicht wahr, Madame?»
    Die Gräfin Bahro senkte den Kopf. «Leider nein. Gott weiß, dass ich dir meine heutige Mitteilung gerne erspart hätte.» Ihr Blick heftete sich auf ihre Nichte. «Wann hast du zum letzten Mal deine Familie gesehen?»
    Mit dieser Frage hatte Paulina nicht gerechnet. Sie verzog schuldbewusst das Gesicht, denn sie war noch nicht ein einziges Mal ins Haus ihres Großvaters zurückgekehrt. Schon seit Wochen nahm sie sich vor, ihre Mutter aufzusuchen, doch immer waren eine Feierlichkeit oder ein Ausflug verlockender gewesen als ein Besuch bei der Kranken. Nun, dann würde Paulina der Gräfin Bahro eben versprechen, sich mehr um ihre Mutter zu kümmern. Sie wollte gerade zu einer entsprechenden Beteuerung ansetzen, als die Großtante ihr zuvorkam.
    «Ich bringe dir leider keine guten Nachrichten von deiner Familie.» Gräfin Bahros Augen füllten sich mit Tränen.
    Die Tatsache, dass ausgerechnet diese starke, beherrschte Frau anfing zu weinen, war zu viel für Paulina.
    «Ich bitte Sie, Großtante, sagen Sie mir endlich, was geschehen ist! Sie brauchen mich nicht zu schonen.»
    Frau von Bahro schluchzte auf.
    «Deine Mutter, Paulina – sie ist heute Nacht gestorben.»
    Paulina rührte sich nicht. Gegenüber allen denkbaren Hiobsbotschaften kam ihr die Nachricht vom Tod ihrer Mutter vergleichsweise unbedeutend vor. Eigentlich war ihre Mutter doch schon vor Jahren gestorben. Paulina kannte sie ja nur noch als Scheintote, die nie ihr Zimmer verließ. Die Erinnerung an ihre andere Mutter, eine

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