Die Seidenbaronin (German Edition)
das zu verhindern wissen. Mit Ihnen wird er sich jedenfalls nicht langweilen.»
Die Hochzeit wurde für den Juni festgesetzt. Indessen hätte ein unerwartetes Ereignis sie beinahe noch verhindert.
Es war Ende Mai, als die Post einen Brief aus Frankfurt brachte. Verwundert erkannte Paulina das Siegel des Hauses Thurn und Taxis. Sie schloss sich in ihr Zimmer ein und öffnete mit zitternden Händen das Schreiben. Als sie die Schrift erkannte, traten ihr Freudentränen in die Augen.
«Liebste Freundin», stand da. «Ich hoffe, dass dieser Brief Sie erreicht, denn es ist nicht einfach für die Schwiegertochter des Generalpostmeisters, ohne dessen Wissen ein Schreiben auf den Weg zu bringen. Sie fehlen mir so! So verärgert ich auch zu Beginn über Ihre unerlaubte Abreise war, so schmerzlich war doch die Lücke, die Sie hinterlassen haben. Die Kaiserkrönung war so traurig ohne Sie. Ich hatte niemanden, mit dem ich nach Herzenslust über die Fürsten, Festzüge, Gesellschaften und natürlich den Kaiser plaudern konnte.
Zudem erreichten mich ständig besorgniserregende Nachrichten aus Regensburg von meiner kleinen Tochter, der armen Charlotte. Im Oktober ist sie verstorben. Können Sie sich mein Leid vorstellen? Womit habe ich das verdient? Den ganzen Winter über habe ich mich in meinem Kummer vergraben. Der Trost, Sie an meiner Seite zu haben, wurde mir verwehrt. Man wollte mir nicht einmal sagen, was aus Ihnen geworden ist. Karl Alexander war sehr gütig und hat mehrmals in meinem Namen beim Oberhofmarschall und sogar bei seinem Vater vorgesprochen. Beide blieben jedoch unerbittlich. Sie sind hier alle so furchtbar penibel in den Fragen der Etikette.
Nun habe ich neulich durch Zufall ein Gespräch belauscht, in dem man von Ihnen erzählte. Seitdem weiß ich, dass Sie bei Ihrem Vater in einer kleinen niederrheinischen Herrschaft sind. Liebe Freundin, wenn Sie schon so mutig waren, einfach fortzufahren, könnten Sie dann nicht noch einmal den gleichen Mut aufbringen, um nach Frankfurt zurückzukehren? Wie ich Sie kenne, werden Sie den Taxis’schen Oberhofmarschall um den Finger wickeln – er mochte Sie doch immer recht gut leiden!
Ich werde den Brief Maximilian von Birnreuth übergeben, denn seine Schwester erscheint mir nicht vertrauenswürdig genug. In der Hoffnung, dass diese Zeilen in Ihre Hände gelangen mögen, verbleibe ich Ihre treue Therese.
PS: Bitte antworten Sie nicht, denn Ihr Schreiben würde mich nicht erreichen.»
Paulinas erster Gedanke war, sofort ihre Sachen zu packen und nach Frankfurt aufzubrechen. Arme Therese! Auch wenn ihr erstes Kind nicht der ersehnte Stammhalter geworden war, hatte sie sehr an der kleinen Charlotte gehangen.
Ich werde es wiedergutmachen, dass ich sie so im Stich gelassen habe, nahm Paulina sich vor.
Immer und immer wieder las sie den Brief der Prinzessin. Die Hochzeit mit Pierre von Ostry erschien ihr plötzlich unbedeutend. Was war schon diese Crefelder Kaufmannsfamilie mit all ihrem Wohlstand gegen Therese?
Allerdings war ihre Lage nicht besser als im letzten Jahr: Sie konnte die Reise schlichtweg nicht bezahlen. Fieberhaft überlegte sie, wen sie um das Geld für die Reise bitten könnte. Sie zog Kronwyler in Erwägung, doch verwarf den Einfall schnell wieder. Dann hatte sie plötzlich eine andere Idee.
« Was wollen Sie?», rief Pierre von Ostry belustigt. «Habe ich Sie richtig verstanden? Sie möchten, dass ich Ihnen Geld dafür bezahle, damit ich Sie nicht heiraten muss?»
Sie standen im Schlafzimmer des jungen Mannes, in das er sie auf ihre Bitte nach einer Unterredung hin ungeniert geführt hatte.
«Sie haben eine etwas sonderbare Art, meine Worte zusammenzufassen», sagte Paulina gereizt.
«Sie entspricht aber dem, was am Ende dabei herauskommt», erwiderte Pierre gelassen. Er trat an einen großen Standspiegel und nestelte an dem Seidentuch in seinem Halsausschnitt. «Ich kann nur zu gut verstehen, dass Sie lieber an den Hof von Thurn und Taxis zurückkehren möchten, als in einem Haus zu versauern, in dem es nur um Produktionszahlen und Absatzsteigerung geht. Ich selbst würde es ebenso machen. Leider wird mir der Zugang zu einem Fürstenhof zeit meines Lebens verwehrt bleiben.» Er drehte sich um. «Da fällt mir ein – werde ich durch Heirat mit Ihnen nicht hoffähig?»
«Lenken Sie nicht vom Thema ab!»
«Schon allein aus diesem Grund sollte ich auf der Hochzeit mit Ihnen bestehen», meinte Pierre unbeeindruckt und betrachtete sich weiter
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