Die Seidenbaronin (German Edition)
im Spiegel. «Dann gehen wir als Eheleute an den Hof von Thurn und Taxis, und Ihre Freundin, die Prinzessin Therese, wird mich in den Adelsstand erheben.»
«Sie faseln, mein Guter», sagte Paulina, der seine kindische Art auf die Nerven zu gehen begann.
Pierre trennte sich von seinem Spiegelbild und wandte sich seiner Verlobten zu. «Genug der kleinen Witzeleien!» Sanft strich er mit dem Finger über ihren Arm.
Ein süßer Schauer lief durch Paulinas Körper. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte – sie fühlte sich auf irgendeine Weise zu diesem jungen Mann hingezogen.
«Sie hoffen also, mit Prinzessin Thereses Hilfe erneut bei Hof aufgenommen zu werden?», fragte Pierre.
«Sollte man mich in Frankfurt wieder fortschicken, komme ich nach Crefeld zurück», antwortete Paulina schnell, um ihn nicht ihre Verwirrung merken zu lassen. «Wir heiraten wie geplant, und niemand außer uns wird etwas von meiner Reise erfahren. Falls ich aber in Frankfurt bleiben kann, ist mein Arrangement mit Ihrem Vater hinfällig. Ich bin einfach verschwunden, und Sie brauchen mich nicht zu heiraten.»
Pierre betrachtete sie spöttisch. «Und alles, was Sie für Ihre kleine Eskapade benötigen, ist das Geld für eine Fahrt nach Frankfurt. Oder besser gesagt …», er streckte schulmeisterhaft den Zeigefinger in die Luft, «… für eine Fahrt mit Option zur Rückkehr!»
«Ich sehe, Sie haben mich verstanden», lächelte Paulina.
«Die Sache hat allerdings einen entscheidenden Haken, Mademoiselle. Ich habe mich bereits damit angefreundet, dass Sie meine Gemahlin werden. Warum also sollte ich Sie schon vor der Hochzeit davonlaufen lassen? Ich bringe mich damit möglicherweise um einen Genuss, auf den ich ungern verzichten möchte.»
Paulinas Lächeln erstarb. «Was meinen Sie damit?»
Er streichelte erneut über ihren Arm, diesmal etwas intensiver. Sie ärgerte sich über die Genugtuung, mit der er ihr Schaudern zur Kenntnis nahm.
«Sie gefallen mir, meine Liebe, Sie gefallen mir sogar sehr. In Ihnen schlummert eine Sinnlichkeit, die ich liebend gerne wecken würde.»
Sie zog brüsk ihren Arm weg. «Sie wissen nicht, was Sie reden!»
Er lachte auf. «O doch, meine Liebe, ich weiß, wovon ich rede. Es gibt nicht viele Dinge auf dieser Welt, von denen ich etwas verstehe, aber Sie … Sie sind eine Frau, wie man sie in dieser Stadt der ehrbaren Frömmler selten findet.» Er umfasste mit beiden Händen ihre Schultern. «Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich nicht eine große Dummheit begehen würde, wenn ich Sie nach Frankfurt ziehen ließe!»
Ehe Paulina sich versah, hatte er seine Lippen auf ihren Mund gedrückt. Die junge Frau wollte ihn entrüstet von sich stoßen, doch dann fühlte sie sich plötzlich von einer Woge süßer Lust erfasst. Ein Schwindel überkam sie, und sie spürte, wie ein bisher unbekanntes Gefühl von ihr Besitz ergriff. Sie schloss die Augen und gab sich genießerisch dieser köstlichen Empfindung hin.
Als Pierre sich von ihr löste, war der Spott in seinem Gesicht verschwunden. «Allmächtiger, ich habe mich nicht getäuscht! Es tut mir leid, meine Schöne, aber ich wäre ein Narr, wenn ich Sie gehen ließe, bevor ich Sie nicht ganz besessen habe.»
Paulina, noch ganz gefangen in dem soeben erlebten Taumel, sah ihn mit einer Mischung aus Verzückung und Erstaunen an.
«Ich muss meinem Vater ja regelrecht dankbar sein», fuhr Pierre fort. «Und das kommt weiß Gott nicht oft vor. Meine Liebe, ich kann den Tag unserer Hochzeit kaum erwarten!»
Der Zauber verflog. Paulina sah befremdet an ihrem Körper hinunter, der sie so schmählich verraten hatte. Schon bei Christian hatte sie ein ähnlich heftiges Empfinden verspürt, aber damals war es mit einem Gefühl der Liebe verbunden gewesen. Pierre hingegen – nun, sie mochte ihn irgendwie. Es hatte ihr gefallen, dass er sie geküsst hatte, zweifellos, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie ihn liebte.
Sie blickte entschlossen zu ihm auf. «Bilden Sie sich nichts ein! Unsere Hochzeit bleibt ein Handel, und sonst nichts! Ich bekomme eine gesellschaftliche Stellung, und Ihre Familie bekommt die Ländereien, die ich erben werde. Wenn Sie mir nicht helfen wollen, heiraten wir eben in Gottes Namen! Danach werde ich über genügend Geld verfügen, um meine Entscheidungen selbst zu treffen.»
Pierre strich zärtlich über ihre Wange. Auf seiner Miene lag ein Zug des Bedauerns. «Auch wenn ich wollte, Mademoiselle, ich könnte Ihnen nicht
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