Die Seidenstickerin
wie Léonore Jean Jacquou anvertraut hatte?
Ach, warum sah sie nur alles so schwarz? Wo waren denn ihr Optimismus, ihre Hoffnungen, ihre Träume geblieben?
Die Wehen begannen eines Nachts, als Louise am Bett von Marguerite wachte, die nicht schlafen konnte. Der Tod ihres Vaters, den sie nicht begreifen konnte, machte ihr sehr zu schaffen und bereitete dem jungen Mädchen, das bis dahin immer ruhig und friedlich geschlafen hatte, schreckliche Albträume.
François, der jünger und nicht so nachdenklich wie seine Schwester war, kam offenbar besser mit den ganzen Veränderungen zurecht. Louise jedenfalls versuchte ihrer Tochter zu helfen, indem sie sie nachts kaum allein ließ, und dankte der Vorsehung, dass ihr François nicht allzu viele Fragen nach dem Sinn des Todes stellte.
Als Louise Alix schreien hörte, lief sie aber sofort in das Zimmer der Wöchnerin. Dame Andrée war bereits da und erteilte den beiden Dienstmädchen, die für Leintücher und Schüsseln mit heißem Wasser sorgten, ruhig und überlegt ihre Anweisungen.
»Jetzt kriegt sie ihr Kind, Dame Louise, ganz bestimmt«, jammerte eine der beiden. »Die arme Kleine! Wo sie doch noch so jung und so krank ist.«
Alix war weiß wie die Wand und schweißgebadet, mit schmerzverzerrtem Gesicht klammerte sie sich an ihre Bettdecke, und in ihren Augen spiegelte sich die Angst, deren sie nicht Herr wurde.
Die Wehen wurden stärker und kamen in immer kürzeren Abständen; aber dieser Zustand dauerte nicht lang an, weil das Kind viel schneller als erwartet das Licht der Welt erblickte. Sein erster Schrei war aber so schwach, dass man ihn kaum hörte, und nach nicht einmal einer Stunde war es tot.
Dame Andrée und die Dienstmädchen hatten das Zimmer verlassen, und Alix schlief jetzt, aber ganz verkrampft und mit einer tiefen Sorgenfalte auf der Stirn. Niedergeschmettert wachte Louise an ihrem Bett und deckte sie immer wieder vorsichtig zu, weil sich Alix ständig mit unruhigen Bewegungen abdeckte.
Als sie wach wurde, jammerte sie leise und sah Louise, die zu keiner Erklärung fähig war, mit Entsetzen im Blick fragend an.
In dem Zimmer wurde es totenstill. Es schien, als wäre die Zeit stehen geblieben, wie ein Einschnitt, den Alix nicht begreifen wollte. Aber nach wenigen Augenblicken wusste sie plötzlich, dass sie jetzt kein kleines Mädchen mehr war und dass eine schreckliche Welt voll harter Tatsachen, Leid und Unbegreiflichkeiten auf sie wartete.
Louise grübelte vor sich hin, und einen kurzen Moment lang machte das Bild des schönen Saint-Gelais einem kleinen, faltigen, leblosen Wesen den Platz streitig, das vom Leben erbarmungslos zurückgewiesen worden war. Bei dem Gedanken daran, was noch alles hätte passieren können, schauderte sie. Großer Gott! Wie viel besser war es doch, dass die Mutter gerettet und nur das Kind tot war! Alix würde sich wieder erholen, und Jacquou fand bestimmt noch Gelegenheit genug, eine Familie mit ihr zu gründen.
Wie früher hatten sich alle im großen Salon eingefunden. Dabei war es schon lange her, dass laute Stimmen und Gelächter dieses große verlassene Zimmer erfüllt hatten, das zwischen dem Waffensaal und dem Empfangszimmer lag und in dem die Familie des Grafen d’Angoulême gern lange, unterhaltsame Abende verbracht hatte, ehe schließlich alle schlafen gingen.
Louise genoss wie immer die Gegenwart ihrer Kinder und unterhielt sich angeregt, wobei sie mit einem Auge dem kleinen François zusah, den Dame Andrée beaufsichtigte, und mit dem anderen Marguerite, die ganz Ohr war für die Geschichte, die ihr Souveraine gerade erzählte.
Jeanne sah manchmal von ihrer Stickarbeit auf und warf Alix einen hilfesuchenden Blick zu, die ihr dann mit einer Handbewegung oder wenigen Worten erklärte, wie sie den Stich machen musste, der ihr nicht gelingen wollte. Und auf einmal konnte Jeanne ihr vorher so widerspenstiges Motiv mit einer Leichtigkeit ausschmücken, die ihre blauen Augen vor neuer Freude strahlen ließen.
Die Augen von Louise funkelten sowieso. Angesichts ihrer Heiterkeit, ihres Elans, ihrer Schäkereien, der stolzen Blicke, mit denen sie ihre Kinder ansah, und ihrer Gedanken, die sich augenscheinlich immer wieder zu fernen Horizonten aufzuschwingen schienen, die ihr allein gehörten, warf ihr Antoinette finstere Blicke voller Verbitterung und Groll zu.
Obwohl sie zwar ihren Anspruch als Älteste geltend machte, weil die arme alte Mutter von Charles mit ihren mehr als siebzig Jahren bereits mit
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