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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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wiederholte Jacquou, und seine Stimme klang schon etwas fester. »Aber ich glaube, unser Unglück hat jetzt ein Ende. Wahrscheinlich musste es erst so weit kommen, damit ich endlich begreife, dass es nur eins gibt, was mir wichtig ist: mit Alix leben.«
    Als Jacquou die Treppe zu ihrem kleinen Zimmer hinaufging, war Alix längst eingeschlafen. Als die Tür ging, wachte sie auf.
    »Bist du’s, Florine?«, murmelte sie schlaftrunken. »Hat Mathias Jacquou endlich gefunden?«
    »Ja, er hat ihn gefunden«, hörte sie es wie im Traum.
    Sie kannte diese Stimme und die Arme, die sie jetzt umschlangen, und schluchzte laut auf.
    »Wir trennen uns nie wieder, Alix«, flüsterte ihr Jacquou ins Ohr, »jetzt bleiben wir für immer zusammen!«

21
     
    Zwei Jahre später war es dann endlich so weit – Louis XII. holte die Familie d’Angoulême nach Tours.
    Louise war begeistert, dass ihr Sohn François dem Thron näher kommen sollte. Eine Sache stimmte sie allerdings sehr, sehr traurig. Der König übernahm zwar sämtliche Kosten, die ihr durch die neuen Lebensumstände entstanden, und war auch damit einverstanden, dass sie ihre beiden Zofen samt deren Töchtern und ihr gesamtes Personal mitnahm – nur Jean de Saint-Gelais wollte er nicht am Hofe haben.
    Als Louis XII. ihr das mitgeteilt hatte, war Louise todunglücklich. Wie sollte ein Leben ohne den Mann ertragen, der ihr so viel Liebe und Zärtlichkeit schenkte? Wie hätte sie, jung wie sie war, diese wenigen Jahre größten Glücks vergessen sollen?
    Louise grübelte ganze Nächte über der Entscheidung des Königs und empfand sie als schreckliche Strafe. Sie konnte sich außerdem nicht vorstellen, dass Saint-Gelais der Erziehung des mutmaßlichen Thronerben nicht gewachsen war, weil der junge Mann weitaus gebildeter war als alle übrigen Hauslehrer am Hof in Tours.
    Falls sich hinter dieser Anordnung Louis’ Ablehnung der gesamten Familie Saint-Gelais verbarg, war Louise darüber sehr erbost, was sie sich aber nicht anmerken ließ. Es schien den König zu stören, dass sie verliebt war. Aber wie sollte sie sich gegen seinen Befehl wehren?
    Louise stand vor ihrem Schloss und überlegte, wie es ihr wohl einsam und allein hinter ihren geschlossenen Bettvorhängen ergehen würde, wenn eine Nacht nach der anderen verging, ohne dass sie auf den warmen Körper ihres Geliebten hoffen konnte.
    Auf die eher bitteren Ehejahre war eine glückliche Zeit gefolgt, die sie nach Herzenslust und voller Romantik ausgeschöpft hatte – und dieses Glück verdankte sie Jean, der ihr und ihren Kindern so nahe stand.
    Aber kaum hatte sie ihr kurzes Glück so richtig begriffen, als auch schon die Enttäuschung nahte. Und wäre da nicht der übergroße Wunsch gewesen, alles für ihren Sohn zu tun, hätte sie die Forderung des Königs bestimmt nicht erfüllt.
    Louises Blick fiel auf die großen Schalen mit roten Begonien, deren Duft die Abendluft erfüllte, und sah Jean die Eingangstreppe herunterkommen.
    »Marguerite, François, genug gespielt! Kommt jetzt zu eurer Lateinstunde.«
    Die beiden Kinder sahen sich unschlüssig an.
    »Du bist dran, François«, sagte Marguerite und bückte sich nach dem kleinen Messer mit Elfenbeingriff, das ihr Bruder eben mit der Spitze in die Erde geschleudert hatte.
    »Nein, du bist an der Reihe«, entgegnete der Junge.
    »Du weißt sehr gut, dass ich doch wieder nur verliere«, seufzte sie.
    Als ihr Bruder sie mit seinen lachenden Augen herausfordernd ansah, stellte sie sich breitbeinig hin und versuchte dennoch einigermaßen würdevoll zu wirken. Ob es ihr wohl endlich einmal wieder gelingen sollte, gegen François zu gewinnen?
    Sie hielt die Luft an, versuchte den Abstand zu der Ziellinie abzuschätzen, die sie mit dem Messer gezogen hatten, und warf dann so ungeschickt, dass das Messer weit von der Markierung entfernt auf den Sandweg fiel, der zum Obstgarten führte.
    »Daneben!«, freute sich François.
    Vergnügt lief der Junge zu der Ziellinie und prüfte mit kundigem Blick, wo das Messer im Boden steckte. Dann bückte er sich, maß noch einmal die Entfernung zwischen Ziel und Waffe ganz genau und hob dann das Messer auf.
    »Da, nimm’s doch«, sagte er und drehte das Messer geschickt in den Händen.
    »Können wir nicht vielleicht lieber eine Partie Schach spielen?«, fragte das Mädchen. »Du weißt doch, dass ich dieses Spiel nicht besonders gut kann.«
    François verzog gelangweilt sein Gesicht. Dann stürzte er sich auf seine Schwester, nahm sie von

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