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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wir.«
     Ihre Stimme war über dem Lärm kaum zu verstehen. Cussick beugte sich vor und versuchte, seine Ohren vor dem Krach zu verschließen. Die stickige Luft, die wilde Bewegung der Menschen, der Lärm verursachen ihm Übelkeit. Nina wirkte fest entschlossen, sich zu amüsieren; er fragte sich, was Tyler dachte. Sie schien an gar nichts zu denken; hübsch und gelassen saß sie da, öffnete ihren Mantel und schien zufrieden zu sein.
     »Das ist der Preis, den wir bezahlen«, sagte Kaminski Cussick ins Ohr. »Wir haben den Relativismus – jeder nach seinem Geschmack.«
    Ein Teil seiner Worte erreichte Nina.
     »O ja«, bestätigte sie mit schwachem Lächeln. »Sie müssen die Leute tun lassen, was ihnen gefällt.«
      Der Roboterkellner fiel wie eine Metallspinne von der Decke, und Nina befaßte sich mit ihrer Bestellung. Von der Karte wählte sie ein orales Heroinpräparat und reichte die Lochkarte an ihren Mann weiter.
     Erstarrt sah Cussick, wie der Roboter eine Zellophanpackung mit weißen Kapseln präsentierte.
    »So etwas nimmst du?« fragte er scharf.
     »Ab und zu«, antwortete Nina beiläufig und riß die Packung mit ihren scharfen Nägeln auf.
     Betäubt bestellt Cussick Marihuana für sich; Kaminski folgte seinem Beispiel. Tyler betrachtete die Karte interessiert und wählte schließlich einen Likör mit der Droge Artemisia. Cussick bezahlte die Rechnung, der Kellner brachte die Sachen, nahm das Geld und segelte davon.
    Nina, die schon unter dem Einfluß des Heroins stand, saß mit glasigen Augen am Tisch, atmete flach und hatte die Hände verkrampft. An ihrem Hals bildeten sich Schweißtropfen; einer nach dem anderen rannen sie über ihr Schlüsselbein und verdampften in der Hitze des Lokals. Die Droge war, wie er wußte, auf polizeiliche Anordnung stark verdünnt worden, aber nach wie vor ein wirkungsvolles Narkotikum. Er spürte eine beinahe unsichtbare rhythmische Bewegung ihres Körpers; sie schwankte vor und zurück, zu einem Takt, den außer ihr niemand hören konnte.
    Er berührte ihre Hand. Die Haut war kalt, hart, weiß wie Stein. »Liebling«, sagte er sanft.
    Mit Mühe konzentrierte sie ihren Blick auf ihn.
    »Hallo«, sagte sie, ein bißchen traurig. »Wie geht es dir?«
    »Haßt du uns wirklich so?«
    Sie lächelte. »Nicht euch, uns alle.«
    »Warum?«
     »Nun«, sagte Nina mit einer Stimme, die von weit herkam, »es kommt einem einfach so verdammt hoffnungslos vor. Alles . wie Max gesagt hat. Es gibt nichts. Wir leben wie Tote.«
     Kaminski, der so tat, als höre er nichts, als lausche er nicht nahm jedes Wort auf, antwortete mit grenzenloser Qual.
     »Ich meine«, sagte Nina, »da war der Krieg, und jetzt sind wir da. Jackie auch. Wozu? Wohin gehen wir? Was können wir erwarten? Wir dürfen nicht einmal mehr romantische Illusionen haben. Wir dürfen uns nicht einmal mehr etwas vorlügen. Wenn wir es tun…« Sie lächelte ohne Groll. »Dann bringen sie uns in die Zwangsarbeitslager.«
    Es war Kaminski, der ihr antwortete.
     »Wir haben Jones… Der Wirbelwind, der uns davonweht. Das ist das Schlimmste an unserer Welt – sie hat der Bestie das kommen erlaubt.«
    Tyler nippte an ihrem Glas und schwieg.
     »Was nun?« fragte Nina. »Ihr könnt eure Welt nicht weiterbetreiben – ihr wißt, daß es mit ihr aus ist. Jones ist da. Ihr müßt ihn anerkennen. Er ist die Zukunft. Das hängt alles zusammen, ist miteinander verbunden, vermischt. Das eine ohne das andere kann man nicht haben – eure Welt hat keine Zukunft.«
    »Jones wird uns alle umbringen«, sagte Kaminski.
     »Aber das wird wenigstens Sinn haben. Wir werden etwas tun.« Ninas Stimme wurde leiser, entfernte sich von ihnen. »Es wird für etwas sein. Wir werden die Hand ausstrecken, wie wir es früher getan haben.«
    »Leerer Idealismus«, sagte Cussick unglücklich.
     Nina antwortete nicht. Sie hatte sich in eine innere Welt zurückgezogen, ihr Gesicht war leer.
     Auf dem erhöhten Podium an der Rückseite des Raumes begann es sich zu regen. Die Nachtvorstellung. Die Gäste wandten sich zur Bühne; die Menschen, die dichtgedrängt an der Treppe standen, reckten die Hälse. Teilnahmslos schaute Cussick zu, unberührt von den Vorgängen, die Hand immer noch auf der seiner Frau.
     Die Vorstellung begann. Zwei Gestalten erschienen, eine Frau und ein Mann. Sie lächelten die Zuschauer an und zogen sich aus. Cussick fühlte sich an den Tag erinnert, als er Jones zum erstenmal begegnet war, an jenen Frühlingstag, als

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