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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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sah nur die kleine, schmale Gestalt Jones’.
     »Sie sind alle verhaftet!« brüllten die Lautsprecher. »Bleiben Sie stehen. Sie sind festgenommen!«
     Manche blieben stehen. Ein Ausdruck des Entsetzens breitete sich auf ihren Gesichtern aus. Fliegende Polizeieinheiten landeten. Eine Gruppe von Funktionären wurde lebendig und rannte auf einen Polizeitrupp zu. Mit geschwungenen Knüppeln stürzten sie sich auf die Polizisten; graue und braune Uniformen bildeten ein unentwirrbares Knäuel. Immer mehr Leute flohen zu den Ruinen. Zu Fuß eilten ihnen Polizisten entgegen und schlugen sie nieder. Dichte Staubwolken erhoben sich und verhüllten die Szene. Die Luft war von Schreien und Dröhnen erfüllt. Ein Lastwagen ächzte und kippte um. Tobende Fanatiker hatten ihn umgestürzt.
    Pratt zielte genau und drückte ab.
     Sein Geschoß verfehlte Jones völlig. Fassungslos lud er durch und hob die Waffe erneut. Beim Abdrücken war Jones plötzlich, wie durch ein Wunder, völlig unerklärlich, zur Seite getreten. Ein Sekundenbruchteil – es war unglaublich. Offensichtlich hatte Jones damit gerechnet.
    Pratt sprang auf den nächsten Lastwagen und arbeitete sich vor. Er sprang auf eine Ruine hinunter. Diesmal wollte er aus nächster Nähe schießen, direkt vor Jones.
     Er sprang auf die Straße hinunter und zwängte sich in die Menge. Mit seinem Gewehr kämpfte er sich vorwärts. An seinem Kopf zerbarst eine Flasche. Sekundenlang umgab ihn Dunkelheit, und er taumelte gegen eine Masse wild um sich schlagender Körper. Dann raffte er sich auf und schlich weiter.
     Dann ging er in die Knie. Er umklammerte die Waffe. In diesem Augenblick schlug ihn eine graue Gestalt mit einem Bleirohr nieder. Diesmal verlor er Zähne und spuckte Blut. Er lag am Boden und ächzte. Stiefel traten auf seinen Rippen herum; er schrie auf, packte ein Hosenbein und zerrte daran. Die Gestalt stürzte zu Boden. Pratt warf sich auf sie, bekam eine Glasscherbe von der Flasche zu fassen, schnitt dem Mann die Kehle durch, stieß die Leiche weg und raffte sich auf.
     Vor ihm war eine freie Stelle, ein stiller Punkt in diesem Wirbel irrer Gestalten. Jones stand regungslos da, nur seine Augen bewegten sich schnell hin und her. Um ihn hatte sich ein Kreis von Funktionären als letzte Abwehrmauer gebildet.
     Pratt sank auf die Knie, riß aber seine Waffe hoch. Vor ihm tanzte glitzernder Nebel; er schwebte in einer lautlosen Welt. Automatisch fanden seine Finger den Abzug; es gab kein Geräusch, nur der Kolben erzitterte.
     Er sah Jones taumeln, die Hände auf den Bauch pressen und zu Boden stürzen. Er hatte ihn nur verwundet – im Bauch erwischt, nicht im Kopf. Fluchend und weinend tastete Pratt nach dem Verschluß. Er hatte versagt, er hatte ihn nicht getötet.
     Während er noch einmal zu schießen versuchte, tauchte eine graue Gestalt vor ihm auf, holte mit dem Fuß aus und stieß ihm die Waffe aus der Hand. Zwei weitere Figuren erschienen. Er spürte kurz einen entsetzlichen Schmerz, dann war es vorbei. Sein Leben endete. Die Grauen hatten ihn geköpft.
    Jones saß auf dem Asphalt, spuckte Blut und wartete auf die Polizeiärzte. Von seinem Platz aus konnte er die Überreste des Attentäters sehen. Undeutlich, wie durch einen Nebel, verfolgte er, wie die tobenden grauen Gestalten die Leiche verstümmelten.
     Es war vorbei. Zwischen seinen Fingern rann das Blut hervor. Er war verwundet, aber er lebte noch. Über seine Schmerzen hinweg erhob sich die überwältigende Freude des Siegers.

    XIV

     Pearson saß an seinem Schreibtisch, als die ersten Meldungen eintrafen. Er hörte beiläufig zu. Sie schienen aus weiter Ferne zu ihm zu dringen und keine eigentliche Bedeutung zu haben. Er bestätigte den Empfang und wandte sich vom Gerät ab.
     Nach einer Weile begriff er, daß er keinen Erfolg gehabt hatte. Pratt war tot, Jones lag stöhnend in einem Polizeilazarett. Jones lebte noch. So war es nun einmal.
     Er stand auf und trat ans Fenster. Er starrte auf die dunkle, nächtliche Stadt hinaus. Nur wenig regte sich. In den nächsten Tagen würden Polizeieinheiten Jones’ Anhänger in diesem Gebiet zusammentreiben. Es eilte nicht, es hatte Zeit. Für immer.
     Aber er mußte weitermachen, bis zum bitteren Ende. Er hatte angefangen, er mußte es zu Ende bringen. Er hatte nicht vor, jetzt einen Rückzieher zu machen, nur weil keine Hoffnung mehr bestand.
     Er überlegte kurz, ob er Jones ermorden konnte, solange er hilflos im Lazarett lag. Nein, die

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