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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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gegeben und war zurück an die Spitze der
     Kolonne geritten. Sie hatten nicht einmal angehalten, um die Leichen zu
     begraben.
    In jener Nacht, als sich der
     Pater allein in die Dunkelheit zurückzog, um für die verlorenen
     Seelen zu beten, sah er die Augen auf dem Baum. Der Capitano schrie ihn
     an, nannte ihn einen Feigling und einen Narren, doch der Sargento
     verdoppelte stillschweigend die Wache.
    Es nutzte nichts; am nächsten
     Morgen fanden sie einen ihrer Männer im Gras, auf allen vieren, keine
     zwanzig Meter vom Lager entfernt. Man hatte ihm die Augen ausgestochen,
     und wo seine Genitalien gewesen waren, klaffte ein blutiges Loch. Ab da
     verschwand jeder einzelne Mann, der die Frauen berührt hatte - der
     Reihe nach niedergemetzelt auf immer raffiniertere, qualvollere Weise, wie
     stumme Büffel, die von lautlosen Wölfen aus der Herde gelesen
     wurden. Die Männer schienen sich einfach in Luft aufzulösen, bis
     sie, ein paar Stunden oder Tage später, noch lebend am Wegesrand
     auftauchten.
    Viele von ihnen wollten im
     Sterben ein letztes Mal die Bibel küssen. Der Pater hatte sich
     gefragt, ob seine Täuschung ab diesem Moment Sünde war. Doch der
     Seele in den letzten Minuten ihrer Todesqualen Linderung zu schenken - der
     Pater beschloss, dass es ein Akt der Gnade war.
    Sie bekamen den Feind nicht
     zu Gesicht, nur sein Schnitzwerk. Bald fingen die Männer an, von Dämonen
     zu reden. Aber der Capitano, der nur an die sagenhaften Städte aus
     Gold dachte, schien weder das Blut noch die wachsende Angst zu bemerken.
     Mit Schwert und Peitsche trieb er die Männer weiter. Und er bemerkte
     auch nicht, dass er irgendwann der Letzte der Männer
     war, die die Indianerinnen geschändet hatten.
    Drei Tage später war der
     Capitano morgens nicht aus seinem Zelt gekommen. Sie fanden ihn am Boden
     liegend, die Därme wie Girlanden im Zelt aufgehängt. Augen, Hände
     und Zunge fehlten. Seine Kehle war aufgeschnitten, und die Genitalien
     hatte man ihm in den Mund gesteckt. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört.
    Sie hatten ihn beerdigt, ohne
     zu trauern. Dann kehrten sie um und traten den Heimweg an. Oder wenigstens
     den Weg zum Presidio in Santa Fe.
    Es war zu spät. In der
     Nacht fielen die Indianer über sie her. Der Großteil der Truppe
     wurde in den Zelten abgeschlachtet. Der Sargento sammelte die Überlebenden
     zusammen und floh mit ihnen in die Berge. Sie zogen sich in den Canyon zurück.
     Immer wieder griffen die Indianer an. Schließlich waren es nur noch
     acht Männer und zwei Pferde, die das kleine runde Tal erreichten. Sie
     hatten gedacht, sie könnten den Kessel verteidigen - doch sie hatten
     nicht gewusst, dass die Indianer wie Bergziegen klettern konnten.
    Also hatten sie sich in die Höhle
     zurückgezogen und Gott und dem Schicksal gedankt, dass er ihnen den
     dunklen Eingang der unterirdischen Kathedrale gezeigt hatte. Zu spät
     merkten sie, dass sie nicht zufällig dort gelandet waren. Die
     Indianer hatten sie in die Höhle getrieben. Doch der Fels begann
     bereits einzustürzen. Zwei Männer liefen durch den Steinhagel
     zurück und wurden erschlagen. Der Rest drang tiefer in die Höhlen
     ein, bis sich das Donnern legte. Dann fing das Warten in der Dunkelheit
     an.
    Und dann das Sterben, bis nur
     noch der Pater und der Sargento übrig waren. Am Ende war er ganz
     allein.
    Ein dunkles Haus, in dem
     allein der Tod gedeiht.
    Vor zwei Tagen hatte er zum
     letzten Mal gepinkelt. Seine Lippen waren aufgesprungen und sein Mund so
     trocken, dass das Schlucken eine Qual war.
    Und dann war er plötzlich
     nicht mehr allein: Gesichter schwebten durch die Dunkelheit, leicht
     verschwommen wie das Haar einer Seejungfrau. Eine dunkelhaarige Frau in grüner
     Robe. Ein Mann mit blitzenden Augen - mit Schalk und Zynismus im Blick und
     dem stillen Kummer derer, die wissen, dass das
     hellste Licht und die dunkelsten Schatten auf der Welt untrennbar
     miteinander verwoben sind.
    Das schönste Gesicht
     aber war das des Menschen, den er im Leben nie gesehen hatte. Ein Mädchen
     mit braunrotem Haar, dessen Bild er seit Jahren in der Nähe seines
     Herzens trug, verborgen in seinem schweren Kruzifix.
    Was würde der Bischof
     daraus machen? Gelächter wallte in ihm auf, auch wenn nur ein Würgen
     herauskam. Des Geistes Sturz in unermess’ne Schmach, hatte er einst
     im Zorn gerufen. Es hätten die Worte des Bischofs sein können.
    Doch er hatte sich geirrt.
     Das wusste er

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