Die Shakespeare-Morde
gegeben und war zurück an die Spitze der
Kolonne geritten. Sie hatten nicht einmal angehalten, um die Leichen zu
begraben.
In jener Nacht, als sich der
Pater allein in die Dunkelheit zurückzog, um für die verlorenen
Seelen zu beten, sah er die Augen auf dem Baum. Der Capitano schrie ihn
an, nannte ihn einen Feigling und einen Narren, doch der Sargento
verdoppelte stillschweigend die Wache.
Es nutzte nichts; am nächsten
Morgen fanden sie einen ihrer Männer im Gras, auf allen vieren, keine
zwanzig Meter vom Lager entfernt. Man hatte ihm die Augen ausgestochen,
und wo seine Genitalien gewesen waren, klaffte ein blutiges Loch. Ab da
verschwand jeder einzelne Mann, der die Frauen berührt hatte - der
Reihe nach niedergemetzelt auf immer raffiniertere, qualvollere Weise, wie
stumme Büffel, die von lautlosen Wölfen aus der Herde gelesen
wurden. Die Männer schienen sich einfach in Luft aufzulösen, bis
sie, ein paar Stunden oder Tage später, noch lebend am Wegesrand
auftauchten.
Viele von ihnen wollten im
Sterben ein letztes Mal die Bibel küssen. Der Pater hatte sich
gefragt, ob seine Täuschung ab diesem Moment Sünde war. Doch der
Seele in den letzten Minuten ihrer Todesqualen Linderung zu schenken - der
Pater beschloss, dass es ein Akt der Gnade war.
Sie bekamen den Feind nicht
zu Gesicht, nur sein Schnitzwerk. Bald fingen die Männer an, von Dämonen
zu reden. Aber der Capitano, der nur an die sagenhaften Städte aus
Gold dachte, schien weder das Blut noch die wachsende Angst zu bemerken.
Mit Schwert und Peitsche trieb er die Männer weiter. Und er bemerkte
auch nicht, dass er irgendwann der Letzte der Männer
war, die die Indianerinnen geschändet hatten.
Drei Tage später war der
Capitano morgens nicht aus seinem Zelt gekommen. Sie fanden ihn am Boden
liegend, die Därme wie Girlanden im Zelt aufgehängt. Augen, Hände
und Zunge fehlten. Seine Kehle war aufgeschnitten, und die Genitalien
hatte man ihm in den Mund gesteckt. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört.
Sie hatten ihn beerdigt, ohne
zu trauern. Dann kehrten sie um und traten den Heimweg an. Oder wenigstens
den Weg zum Presidio in Santa Fe.
Es war zu spät. In der
Nacht fielen die Indianer über sie her. Der Großteil der Truppe
wurde in den Zelten abgeschlachtet. Der Sargento sammelte die Überlebenden
zusammen und floh mit ihnen in die Berge. Sie zogen sich in den Canyon zurück.
Immer wieder griffen die Indianer an. Schließlich waren es nur noch
acht Männer und zwei Pferde, die das kleine runde Tal erreichten. Sie
hatten gedacht, sie könnten den Kessel verteidigen - doch sie hatten
nicht gewusst, dass die Indianer wie Bergziegen klettern konnten.
Also hatten sie sich in die Höhle
zurückgezogen und Gott und dem Schicksal gedankt, dass er ihnen den
dunklen Eingang der unterirdischen Kathedrale gezeigt hatte. Zu spät
merkten sie, dass sie nicht zufällig dort gelandet waren. Die
Indianer hatten sie in die Höhle getrieben. Doch der Fels begann
bereits einzustürzen. Zwei Männer liefen durch den Steinhagel
zurück und wurden erschlagen. Der Rest drang tiefer in die Höhlen
ein, bis sich das Donnern legte. Dann fing das Warten in der Dunkelheit
an.
Und dann das Sterben, bis nur
noch der Pater und der Sargento übrig waren. Am Ende war er ganz
allein.
Ein dunkles Haus, in dem
allein der Tod gedeiht.
Vor zwei Tagen hatte er zum
letzten Mal gepinkelt. Seine Lippen waren aufgesprungen und sein Mund so
trocken, dass das Schlucken eine Qual war.
Und dann war er plötzlich
nicht mehr allein: Gesichter schwebten durch die Dunkelheit, leicht
verschwommen wie das Haar einer Seejungfrau. Eine dunkelhaarige Frau in grüner
Robe. Ein Mann mit blitzenden Augen - mit Schalk und Zynismus im Blick und
dem stillen Kummer derer, die wissen, dass das
hellste Licht und die dunkelsten Schatten auf der Welt untrennbar
miteinander verwoben sind.
Das schönste Gesicht
aber war das des Menschen, den er im Leben nie gesehen hatte. Ein Mädchen
mit braunrotem Haar, dessen Bild er seit Jahren in der Nähe seines
Herzens trug, verborgen in seinem schweren Kruzifix.
Was würde der Bischof
daraus machen? Gelächter wallte in ihm auf, auch wenn nur ein Würgen
herauskam. Des Geistes Sturz in unermess’ne Schmach, hatte er einst
im Zorn gerufen. Es hätten die Worte des Bischofs sein können.
Doch er hatte sich geirrt.
Das wusste er
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