Die Shakespeare-Morde
lächerlich«,
sagte Ben. »Ich nehme es zurück. Tragisch.«
»Aber es geht hier
nicht um Delias Wahnsinn«, warf Athenaide ein. »Sondern um
ihre Papiere. Wenn Ophelia ihre Schriften sehen wollte, dann -«
»Dann sollten wir
Ophelia - und das, was sie suchte - in Delia Bacons Aufsätzen suchen«,
schloss ich.
»Und Sie wissen, wo
ihre Papiere sind?«, fragte Ben.
»In der Folger
Shakespeare Library«, sagte ich. »Washington, D. C., in
Sichtweite des Kapitols.« Der quaderförmige weiße
Marmorbau der Folger-Bibliothek beherbergte die größte
Shakespeare-Sammlung der Welt - ein wahres Wunder, ermöglicht durch
die Erträge des schwarzen Goldes, die einst über die Standard
Oil Company ins Land flössen. Wenn etwas mit Shakespeare zu tun
hatte, war die Folger-Bibliothek daran interessiert - und woran sie
interessiert war, das bekam sie für gewöhnlich auf die eine oder
andere Art. Delia Bacons Schriften waren irgendwann in den 1960ern für
die Bestände angekauft worden.
Athenaides kobaltblaue Augen
glänzten. »Was für ein glücklicher Zufall, dass ich
heute Nachmittag zu einer Konferenz in der Folger-Bibliothek geladen bin.«
»Das ist kein Zufall,
oder?«, fragte ich.
»Dass Sie gestern Abend
wegen Granville angerufen haben?« Athenaide zuckte die Achseln.
»Doch. Dass ich Sie gebeten habe, noch vor meiner Abreise
herzukommen? Nein. Ich dachte, wenn alles gut geht, würde ich Sie
fragen, ob Sie mich begleiten möchten. Der Gedanke, dass Ophelias
Spur zu Miss Bacons Papieren führen könnte, war mir bereits
gekommen. Aber ich bin Sammlerin, Katharine, keine Wissenschaftlerin. Ich
könnte Ihre Hilfe gebrauchen.«
»Besitzt die
Folger-Bibliothek eine First Folio Edition?«, fragte Ben scharf.
»Eine?« Athenaide
schnaubte. »Nein, Mr Pearl. Die Folger-Bibliothek besitzt
neunundsiebzig. Ungefähr ein Drittel aller existierenden Ausgaben und
damit mit Abstand die größte Sammlung der Welt. Den zweiten
Platz belegt die Meisei University in Japan - dort haben sie zwölf,
was wiederum mehr als doppelt so viel ist wie die fünf Exemplare der
British Library. Aber die Folger-Bibliothek ist das Epizentrum.«
»Und damit der erste
Ort, an den Sinclair und das FBI denken würden, um eine Falle
aufzustellen.«
»Der Zeitpunkt wäre
dafür wie geschaffen«, sagte Athenaide. »Die Eröffnung
einer großen Konferenz. Wo mehrere Folios öffentlich
ausgestellt sind. Vielleicht interessiert es Sie zu hören, Katharine,
dass als Hauptreferentin der Konferenz Professor Howard vorgesehen war.
Sie wollte einen Vortrag über Delia Bacon halten.«
Ich musste mich setzen.
Ben kam herüber und
stellte sich vor mich. »Mit nach Washington zu kommen wäre
vollkommen verrückt, Kate. Das Angebot ist vielleicht eine Falle«,
setzte er flüsternd nach.
»Wenn ich Sie in die
Falle locken wollte«, sagte Athenaide von der anderen Seite des
Saals, »wäre die Polizei längst hier. Ich ermögliche
Ihnen die Flucht, und zwar genau an den Ort, wo Sie hinwollen. Und ich
kann Sie in die Bibliothek einschleusen.«
Wir hoben beide den Kopf.
»Wie das?«
»Heute Abend findet ein
Sektempfang im Lesesaal statt, gefolgt von einem Galadinner in der Großen
Halle. Da ich Sponsor der Veranstaltung bin, haben sie meinen Caterer
engagiert. Ich kann Lorenzo bestimmt überzeugen, dass er
noch zwei Kellner braucht.« Sie spielte mit ihrer Pistole, die immer
noch auf dem Tisch lag. »Ich mache viele Geschäfte in
Washington. Ich bin eine gute Kundin.«
»Um hineinzukommen, müssen
wir erst mal dorthin kommen«, entgegnete Ben. »Die Kontrollen
am Flughafen -«
»Wieder haben Sie Glück,
denn es gibt keine Kontrollen. Nicht am Flughafen von Lordsburg. Es ist
gar kein richtiger Flughafen. Nur eine Piste mit ein paar Hangars.«
»Warum tun Sie das?«,
fragte ich.
Sie legte den Brief in die
Mappe zurück und stand auf. »Ich bin genauso sehr daran
interessiert zu finden, was Granville gefunden hat, wie Sie.«
»Lassen Sie es sein,
Kate«, sagte Ben nachdrücklich.
Irgendwo in der Ferne hörte
ich ein Knattern, wie von einer Kettensäge. Dann wurde der Lärm
lauter, und schließlich erkannte ich das Geräusch. Ein
Hubschrauber.
»Wahrscheinlich unsere
Freunde und Helfer.« Athenaide ging an eins der Fenster. »Ich
fürchte, Sie können nicht mehr zurück. Es gibt Gezeiten für
der Menschen Treiben; nimmt man die
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