Die Sherbrooke Braut
etwas eindringlicher: »Wer wollte dich heute morgen unter allen Umständen sehen? Ist jemand in deiner Familie erkrankt? Fehlt irgend jemandem etwas?«
»Meine Familie ist jetzt auch deine Familie. Versuch dich daran zu erinnern. Außerdem geht es dich gar nichts an, wohin ich gehe oder was ich tue. Eine Ehefrau sollte ihre Nase nicht in die Angelegenheiten ihres Mannes stecken. Paß lieber auf dein Pferd auf und...«
»Douglas«, unterbrach sie ihn in sehr vernünftigem Ton, zumindest was sie dafür hielt, »du bist übelgelaunt, weil ich diesen dummen Wicht von einem Arzt nicht in mein Schlafzimmer geführt habe. Und ich werde auch in Zukunft nirgendwo mit ihm hingehen. Es sei denn, du möchtest eine schreckliche Szene zwischen uns heraufbeschwören. Sprich, warum diese Dringlichkeit? Ich bin deine Frau. Bitte, sag mir, was hier vorgeht.«
Er blieb verstockt und schwieg. Ihre Fantasie nahm eine dramatische Richtung. »Es hat doch nichts mit einer Invasion zu tun, oder? O mein Gott, das Ministerium will dich doch nicht etwa wieder in der Armee haben? Du gehst doch nicht hin, nicht wahr? Bitte, überlege es dir genau, Douglas. Es sind so viele Dinge in Northcliffe, die deiner ständigen Aufmerksamkeit benötigen. Ich denke nicht, daß...«
»Halt den Mund! Es hat nichts damit zu tun, verdammt noch mal! Es hat etwas mit einem hochbegabten Irren zu tun namens Georges Cadoudal.«
»Wer ist er?«
Wie es ihr wohl gelungen war, daß er den Namen ausgesprochen hatte, fragte er sich und starrte zwischen die Ohren seines Pferdes. »Das hat dich nicht zu kümmern. Halt jetzt den Mund. Laß mich in Ruhe. Ich erzähle dir nichts mehr.«
»Dann eben nicht«, gab sie zurück. Georges Cadoudal. Er war Franzose, und Douglas sprach Französisch, als hätte er es mit der Muttermilch eingesogen. Sie erinnerte sich an die aufdringliche Art der Französin - dieses Biest, das er aus Frankreich gerettet hatte - gestern abend auf dem Ball der Ranleaghs und fragte ihn: »Hat er etwas mit der Schlampe zu tun, die dich gestern verführen wollte?«
Douglas sah sie entgeistert an. Woher konnte sie das wissen? Sie hatte es nur geraten. Er war ein Esel; sie zu beunruhigen und zu verängstigen, war das letzte, was er erreichen wollte. Noch weniger wollte er, daß sie sich in diese lächerliche Angelegenheit einmischte. Er stieß seine Absätze in die Flanken von Prince und preschte vorwärts.
Alexandra wünschte sich, sie hätte einen Stein in der Hand, um ihn Douglas nachzuschleudern. Doch sie empfand eigentlich mehr Sorge als Wut. Wie konnte sie herausfinden, wer dieser Georges Cadoudal war und was er mit Douglas zu tun hatte? Nun erinnerte sie sich an den Brief, den sein Kammerdiener Finkle, der sie beide nach London begleitet hatte - seinem Herrn überreicht hatte. Vielleicht lag der Brief noch irgendwo. Sie beschloß, ihn zu suchen. Hatte er nicht gesagt, daß seine Familie jetzt auch ihre Familie war? Nun gut. Sie war seine Frau; es war höchste Zeit für ihn zu erkennen, daß eine Ehefrau auch das Ende von eigenen geheimen Plänen bedeutete.
Sie fand den Brief. Finkle hatte ihn zusammen mit anderen Sendschreiben Seiner Lordschaft sorgsam auf seinem wuchti-gen Schreibtisch deponiert. Alexandra las ihn stirnrunzelnd. Es war ein Brief von Lord Avery. Das große schwarze Gekritzel enthielt lediglich die Nachricht für Douglas, daß dieser Georges Cadoudal sich anscheinend nicht in Paris, wo er eigentlich hätte sein sollen, sondern in England aufhielt. Lord Avery machte sich Sorgen; er bat umgehend um eine Unterredung mit Douglas.
Alexandra faltete den Brief wieder vorsichtig zusammen und legte ihn zurück auf den Stapel, so daß er wieder so lag, als wäre er niemals entfernt worden. Kaum hatte sie ihn hingelegt, trat Douglas unerwartet ins Zimmer. Sie wurde rot bis zu den Haarwurzeln und entfernte sich hastig vom Schreibtisch.
»Guten Tag, Mylord«, trällerte sie und winkte ihm leicht zu.
Sein Gesicht war verärgert; er stellte sich ihr in den Weg. »Was tust du hier, Alexandra?«
Sie reckte das Kinn. »Ist das nicht auch mein Haus? Gibt es hier Räume, die ich nicht betreten soll? Wenn dem so ist, dann wäre es nur recht und billig, wenn du mir Bescheid sagen würdest, welches ich betreten darf und welches nicht.«
Douglas warf einen Blick auf seinen Schreibtisch, wobei ihm immer noch der Ärger im Gesicht stand. »Deine Bemühungen, mich abzulenken, sind noch nie erfolgreich gewesen. Zudem hast du meine Anweisung nicht
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