Die sieben Häupter
hallte weit über den Fluß.
Aus dem Gebüsch hinter ihm war ein Speer herangeflogen gekommen und hatte sich ihm in den Rücken gebohrt.
Das Entsetzen auf der Burg war groß, und alle, ob nun Ritter oder slawisches Gesinde, eilten zur Furt, um ans andere Ufer zu gelangen und Hilfe zu leisten, voran Pribislaw. Er war auch der erste, der Kruto erreichte. Der Alte lag auf dem Bauch, der Speer steckte ihm dicht unter dem linken Schulterblatt tief im Herzen. Das Blut quoll aus der Wunde und tränkte seinen grauen Kittel. Pribislaw warf sich auf den Boden und drehte Krutos Kopf herum, um ihm ins Gesicht zu sehen. Leise und fast unverständlich flehte der Sterbende auf slawisch die alten Götter an, Triglaw vor allem. Doch seine Stimme verblaßte immer mehr, bis er für immer schwieg. Pribislaw wandte sich ab, um mit seiner Trauer allein zu sein.
»Los, sucht seinen Mörder!« rief Jakob von Klosterbruch. »Und du, Pribislaw, reitest nach Schmöckwitz, um den Leuten dort zu vermelden, was soeben passiert ist. Und ob sie Näheres wissen. Ich kann mir das alles nicht erklären.«
»Ich auch nicht«, sagte Pribislaw mit finsterer Miene. »Aber ich kann noch nicht fort, laßt mir bitte Zeit. Kommt, bringen wir Kruto erst einmal auf die Burg hinüber, das weitere wird sich dann finden.«
Um bei den Wettinern keinen Argwohn zu erregen, durfte sich Pribislaw seine Trauer, so groß sie auch war, nicht anmerken lassen. Um die Slawen ruhigzustellen, war er ihnen willkommen, aber mit ihnen kordial zu werden, das ging nicht an. Warum Pribislaw an Kruto hing, hatte zweierlei Gründe. Einmal wäre es ihm ohne die Hilfe des Alten nicht gelungen, Petrissa zu erobern, und zum anderen hatte er Kruto mit einigen Mühen so geformt, daß der später einen trefflichen Kanzler abgegeben hätte. Aus und vorbei. Wer mochte ihn ermordet haben? Pribislaw konnte sich noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen, er fand keine Antwort auf diese Frage, und die Leute, die der Burgherr ausgeschickt hatte, den Mörder zu fangen, kamen mit leeren Händen zurück.
Erst am nächsten Morgen machte sich Pribislaw auf den Weg nach Schmöckwitz. Zuerst ritt er immer dicht am Ufer der Dahme entlang, obwohl die angrenzende Heide noch eher licht zu nennen war. Als es aber später, wo der Fluß einen Knick machte und sich zu einem langgestreckten See weitete, mehr in südöstliche Richtung ging, lenkte er seinen Hengst mitten in Sumpf und Urwald hinein. Keiner von den anderen wettinischen Rittern wagte sich in diese Gegend. Pribislaw aber kannte hier jeden Baum und jeden Pfad. So erreichte er auch ohne Gefahr für sich und sein Pferd die Senke der Krummen Lake. Einst ein Nebenarm der Dahme, war sie nun von dieser abgetrennt, um mehr und mehr zu verlanden. Da, wo sie am breitesten war, gab es eine künstliche Aufschüttung, ein uraltes Heiligtum der Sprewane. Vor fünfzehn Jahren waren ringsum ihre letzten Tempel und Götterbilder zerstört worden, damit sie für immer abließen von Triglaw, dem höchsten ihrer Götter, dem Sonnengott, aber auch von Perun, dem Gott des Gewitters, ebenso von Porowit, dem Mittsommergott, und all den anderen. Alles, was noch zu retten war, hatte Budiwoj, der heimliche Triglaw-Priester, hierher in die Wildnis gebracht,auch eine heilige weiße Stute, mit deren Hilfe er seine Pferdeorakel durchführen konnte. Und Budiwoj, offiziell Fischer in Schmöckwitz, war der geistige Vater und Berater Pribislaws.
»Kruto ist tot!« rief Pribislaw denn auch, kaum daß er den Alten gesichtet hatte. »Ermordet.«
»Ich weiß«, sagte Budiwoj ohne jede Regung.
Pribislaw sprang vom Pferd. »Woher willst du das wissen?«
»Weil ich es war, der ihn getötet hat.«
Pribislaw starrte ihn an, konnte das, was er da vernommen hatte, beim besten Willen nicht fassen. »Bist du von Sinnen!?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Denn er wollte deine Abwesenheit nutzen und deinem Burgherrn alle unsere Pläne verraten. Alles, um als Ministerialer nach Meißen an den Hof zu kommen.«
»Woher weißt du das?«
»Petrissa hat ihn beim Gebet belauscht und gesehen, wie er die Lose zum Orakel in die Luft geworfen hat: Soll ich nach Köpenick gehen und alles offenbaren, oder soll ich nicht?«
Pribislaw schloß die Augen. »Kruto, ein Verräter, ausgerechnet er. Und ich habe ihn fast so geliebt wie meinen eigenen Vater.«
»Das hat ihn nicht daran gehindert, nach Köpenick zu gehen, um dich dem Henker auszuliefern.«
»Er wird Angst gehabt haben, daß ein Aufstand den
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