Die Signatur des Mörders - Roman
Baarova?«, fragte Frau Lindner.
»Kennen Sie sie?«
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist tot.«
Die Sozialarbeiterin schüttelte den Kopf und seufzte schwer. »Ja, er hat von ihr gesprochen. Ab und zu. Seine große Liebe, sagte er immer.«
»Seine große Liebe?«
»Ja, sein Schutzengel, der ihn vor der Verzweiflung rettet. So hat er sie genannt.«
Henri schaute hoch. Seine Hand war in der Tüte.
»Was?«, fragte Ron.
Henri zog etwas aus der Tüte hervor: einen Hut.
Frankfurt am Main
Montag, 21. Mai
34
Myriams Hand klammerte sich an einen Plastikbecher mit Kaffee, und sie ertappte sich dabei, dass sie einfach an die Decke starrte. Durch das gekippte Bürofenster drang milde Luft mit dem Versprechen auf einen schönen Frühlingstag. Aber wer hielt heutzutage noch seine Versprechen? Nicht einmal der tägliche Wetterbericht.
Sie nippte an dem inzwischen kalten Kaffee und merkte, dass ihr die Augen zufielen. Sie war völlig übermüdet. Nach dem Besuch im La Strada hatte sie kaum geschlafen, die ganze Nacht nur darauf gewartet, dass endlich die Sonne aufging. Kurz vor sechs Uhr hatte die Dämmerung eingesetzt. Doch das erste Gezwitscher der Vögel beruhigte sie nicht, sondern in der Schnelligkeit, in der es hell wurde, kam erneut Furcht in ihr hoch.
Sie trank die schwarze Brühe in einem Zug leer.
Jeder Weg, den sie einschlugen, erwies sich als Sackgasse. Zu viele Fehler waren bereits gemacht worden. Nun fürchtete sie, auch der neue Tag könnte keine Entscheidung bringen. Nichts würde passieren. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als hilflos abzuwarten.
Sie überlegte, wie sie weiter vorgehen sollten und welches der nächste Schritt sein musste. Sie hatten etwas übersehen. Etwas Entscheidendes. Wenn Paul Olivier der Täter war, wer war dann das nächste Opfer? War er aber der Mann im Verlies, wer war dann der Richter?
Die Überlegungen führten immer wieder zu Milan Hus. Es gab niemanden mehr, der ihm nahegestanden war. Doch! David!
Sie wollte noch einmal mit Milan Hus’ Sohn sprechen. Der Junge kannte die Liebhaber seines Vaters. Er war den Studenten begegnet, wenn Milan Hus die Seminare in seinem Haus abhielt.
Ihre Hand griff zum Telefonhörer. Sie wählte Henris Handynummer. Lediglich die Mailbox sprang an. Anschließend versuchte sie ihn im Büro zu erreichen, wo niemand ans Telefon ging. Erneut wählte sie die Nummer seines Mobiltelefons und sprach auf die Mailbox: »Wir müssen reden, Henri. Ruf mich an.«
Dann griff sie nach ihrer Jacke und verließ das Büro.
»Ich bin dann mal weg«, rief sie Cordula zu.
»Klar, ich habe mich auch schon über Ihre Anwesenheit gewundert. Was soll ich Hillmer sagen, wenn er nach Ihnen fragt?«
Hillmer war ihr plötzlich völlig gleichgültig. Ein schwaches Licht im Getriebe ihrer Gedanken.
»Wissen Sie was«, sagte Myriam, während sie Rons Nummer eintippte. »Zucken Sie einfach mit den Schultern und hören Sie damit auf, nach Ausreden für mich zu suchen.«
Ein Hund begann zu bellen. Es war die Art von Kläffen, die einem durch Mark und Bein geht und einen dieser Handtaschenköter ankündigt, die einem nur bis zum Knöchel reichen und gerade deshalb an einem übersteigerten Selbstbewusstsein leiden.
»Die Familie ist nicht gerade arm«, murmelte Ron.
»Bist du neidisch?«
»Klar. Vor allem auf den Jaguar.«
Sein Blick ging hinüber zur Garage, in der ein roter Sportwagen stand.
»Habe ich gar nicht gesehen.«
Myriam nahm den Finger vom Klingelknopf und blickte an der Fassade empor. Das Haus gehörte zu den feudalsten und repräsentativsten in der Straße. Rosenstöcke rankten sich als üppiger Blumenschmuck die Hauswand hoch. In dem gepflegten Vorgarten glich ein Halm dem anderen. Sie erstrahlten wie poliert im saftigen Grün eines englischen Rasens.
Hinter der Frau, die öffnete, stürmte ein Dackel direkt auf die Besucher zu. Myriam trat einen Schritt zurück, doch der Hund gab keine Ruhe, bis die Frau es geschafft hatte, den Köter am Designerhalsband ins Haus zurückzuzerren, wobei sie ihn mit einem lauten italienischen Wortschwall beschimpfte.
Damit war Myriams Gedanke, sich jemals einen Hund zuzulegen, ein für alle Mal vom Tisch.
Als die Frau erneut in der Haustür erschien, dachte Myriam nur, dass diese zur Übertreibung und Extravaganz neigte. Sie war extrem schlank, hatte tiefschwarz gefärbte Haare und trug ein übertriebenes Make-up, mit dem sie noch die letzte Falte zuspachteln wollte. Simons Mutter, denn um niemand anders konnte
Weitere Kostenlose Bücher