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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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ernst.«
    »Du siehst damit aus wie ein Pfingstochse.«
    Ich machte den Knoten auf und nahm das Tuch ab, faltete es ordentlich zusammen. Ich würde es aufbewahren, sagte ich mir, aber angucken nur noch, wenn ich allein war. »Na, wer ist jetzt ganz rot im Gesicht?«, sagte Charlie. Er dreht sich zum Fenster, klopfte an die Scheibe und sagte: »Aha, es tut sich was.«
    Ich ging ebenfalls zum Fenster und sah, wie die Hure, die vorhin auf dem Fußboden gelegen hatte, mit dem Größten unter den Fallenstellern redete. Er hörte ihr zu, während er sich zugleich eine Zigarette drehte, und nickte dann. Als sie fertig war, sagte er ihr etwas. Ich vermute, er gab ihr neue Anweisungen. Darauf ging sie wieder ins Hotel. Ich folgte ihr mit den Augen, bis sie nicht mehr zu sehen war. Mittlerweile hatte uns der Fallensteller am Fenster entdeckt und starrte uns unter seinem spitzen Hut an. »Wo kriegt man eigentlich solche Hüte her?«, sagte Charlie. »Oder machen sie die selber?« Der Fallensteller setzte seine Zigarette in Brand, blies eine Qualmwolke in die Luft und entfernte sich. Charlie schlug sich auf den Schenkel und spuckte aus. »Ich sag’s nicht gerne, aber jetzt sind wir im Arsch gekniffen. Her mit deinem Doppeladler, wir müssen das Geld zurückgeben.«
    »Das Geld zurückgeben ist wie ein Schuldeingeständnis.«
    »Uns bleibt nur diese Möglichkeit. Es sei denn, wir kämpfen oder schlagen uns in die Büsche. Aber das verbietet sich in unserem Zustand. Also, rück schon die Penunze raus.« Er trat vor mich hin und hielt die Hand auf. Ich klopfte meine Taschen ab, erfolglos, wie ich nicht zu betonen brauche, doch die Pantomime verfing nicht. Charlie kratzte sich am Nacken. »Sag mal, du hast das Geld doch nicht der Frau gegeben?«
    »Es war mein selbstverdientes Geld. Und was ein Mann mit seinem selbstverdienten Geld macht, geht keinen anderen etwas an.« Dann fiel mir ein, wie sich seine Hure die geschlossene Hand vor den Mund gehalten hatte, und ich sagte: »Und was ist mit deinem Geld? Hast du es etwa auch weggegeben?«
    »Daran hatte ich gar nicht gedacht.« Er sah in seiner Börse nach und lachte bitter. »Und Mayfield sagte noch, es ginge aufs Haus.«
    Dann wieder Gebrüll aus dem Herrenzimmer. Geklingel der Glocke. Klirren von Glas.
    »Ich hoffe, du bezahlst den Mann jetzt nicht aus deiner eigenen Tasche«, sagte ich.
    »Nein, so viel ist mir seine Freundschaft auch nicht wert. Packen wir unsere Sachen und sehen wir zu, dass wir Land gewinnen. Am besten, wir steigen durch dein Fenster. Vielleicht schaffen wir es ja, ehe jemand etwas merkt. Wir schießen nur, wenn es gar nicht anders geht, ich muss mich erst erholen. Für so etwas muss man tipptopp in Form sein.« Die Satteltasche in der Hand, blickte er sich noch einmal im Zimmer um. »Haben wir alles? Gut. Dann los. Queren wir diesen Flur still und leise.«
    Still und leise, wiederholte ich für mich, als wir uns zu meinem Quartier schlichen, das klang irgendwie poetisch.

Wir stiegen also aus meinem Fenster und schlichen auf den Vordächern bis zum Pferdestall am anderen Ende des Orts, wo unsere Pferde Tub und Nimble standen. Niemand bemerkte etwas von unserem Aufbruch. Auf halber Strecke konnte Charlie, geschützt von einem großen Schild, sogar den großen Fallensteller sehen, der unten an einer Pferdestange lehnte. Kurz darauf kamen auch die anderen hinzu, und gemeinsam berieten sich die zottigen Gestalten. »Mag sein, dass diese Stinktiere unter ihresgleichen berüchtigt sind, aber Killer sind es nicht«, bemerkte Charlie. Er zeigte auf den Anführer. »Der da hat uns das Fell geklaut, da bin ich sicher. Den schnappe ich mir, wenn wir wiederkommen. Jede Wette, dass die anderen bei dem ersten Schuss stiften gehen.«
    Die Männer trennten sich, und wir setzten unseren Weg über die Dächer fort, bis es nicht mehr weiterging und wir den Stall erreicht hatten. Wir sprangen hinunter und schlichen uns in den Stall. Der Stallbursche mit den Hasenzähnen war da, er stand gleich neben unseren Pferden und guckte blöd. Der Junge sprang sofort auf und war nur zu erbötig, die Pferde zu satteln, was mich eigentlich hätte misstrauisch machen müssen, aber nicht machte, weil ich in Gedanken viel zu sehr mit unserer Flucht beschäftigt war. Und so kam, wie es kommen musste: Wir machten soeben die Satteltaschen fest, als lautlos hinter uns die Fallensteller auftauchten. Als wir sie sahen, war es schon zu spät. Sie hatten uns, wir saßen in der Falle und schauten in

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