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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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die Mündung ihrer Revolver, die genau auf unser Herz zielten.
    »Wie ich sehe, wollt ihr Mayfield bereits verlassen?«, sagte der große Trapper.
    »Ja, wir gehen jetzt«, sagte Charlie, wobei ich nicht absehen konnte, wie er von da an weitermachen wollte. Aber er hatte die Angewohnheit, mit den Fingern zu knacken, ehe er zog, und genau auf dieses Geräusch wartete ich jetzt.
    »Bestimmt wollt ihr nicht gehen, ohne Mr. Mayfield das Geld zurückgezahlt zu haben.«
    »Richtig, Mr. Mayfield«, sagte Charlie, »unser allseits geliebter Boss und Arbeitgeber. Was mich interessieren würde: Macht ihr ihm auch das Bett? Wärmt ihr ihm an langen Winterabenden die Quanten?«
    »Hundert Dollar oder du bist ein toter Mann. Das heißt, tot bist du so oder so. Du meinst wohl, nur weil ich Pelz und Leder trage, bin ich zu langsam. Aber ich bin schneller als du denkst. Und wäre das nicht eine hübsche kleine Überraschung, wenn plötzlich lauter Kugeln in deinem Wanst stecken?«
    Worauf Charlie sagte: »Du hast recht. Ich halte dich für langsam, Trapper, aber daran ist nicht deine Aufmachung schuld, sondern die Tatsache, dass du nichts im Hirn hast. Ich meine nämlich, du bist genau so dumm wie die Viecher, denen du in Schlamm und Schnee auflauerst.«
    Da lachte der Fallensteller oder tat zumindest so, denn es war eher ein billiger Abklatsch von unbeschwerter Laune. Er sagte: »Ich habe dich gestern Abend beobachtet. Ich sah, wie du dich betrunken hast, und dachte: keinen Tropfen. Ich werde heute keinen Tropfen anrühren, dann bin ich am Morgen ausgeruht und schnell, nur für den Fall, dass ich am Morgen diesen Mann töten muss. Und jetzt ist der Morgen da, und ich frage dich zum letzten Mal: Gibst du lieber das Fell zurück oder das Geld?«
    »Alles, was du von mir bekommst, ist der Tod«, sagte Charlie, was er aber so beiläufig sagte, als ginge es ums Wetter, wodurch sich mir die Nackenhaare aufstellten und meine Hände zu pochen und zu zucken anfingen. Charlie ist in solchen Situationen einfach unübertroffen, so klar im Kopf und ohne jede Spur von Angst. Eigentlich war er schon immer so gewesen, doch obwohl ich dieses Vorspiel nun schon viele Male erlebt hatte, war meine Bewunderung mit den Jahren nicht kleiner geworden.
    »Dann werde ich dich jetzt erschießen«, sagte der Fallensteller.
    »Gut«, sagte Charlie. »Mein Bruder zählt. Bei drei wird gezogen.«
    Der Fallensteller nickte und steckte die Pistole in sein Holster zurück. »Von mir aus kann er auch bis hundert zählen«, sagte er und spreizte mehrmals die Hand, die er gleich brauchen würde.
    Charlie verzog abschätzig das Gesicht. »So viel Dummheit habe ich selten gehört. Kannst du dir für deine letzten Worte nicht etwas einfallen lassen, was dem Anlass würdig wäre?«
    »Wart’s nur ab, große Reden schwingen kann ich noch den ganzen Tag. Ich werde noch meinen Enkeln von dem Tag erzählen, an dem ich die berühmten Sisters-Brüder umgelegt habe.«
    »Na, das ist zumindest ein klares Ziel, auch wenn dieser Teil später höchstens eine heitere Fußnote ergibt.« Zu mir gewandt, sagte er: »Hast du gehört, Eli? Jetzt will er schon uns beide umlegen.«
    »Eli, ich will, dass du weißt, dass ich immer gern mit dir geritten bin.«
    »Nicht doch. Solche Abschiedsworte kommen zu früh. Denn wenn du dir diesen Mann genau betrachtest, wirst du feststellen, dass er nicht mit dem Herzen dabei ist. Bitte beachte auch den leichten Schweißfilm auf der Stirn. Irgendeine innere Stimme sagt ihm gerade, dass er einen fürchterlichen Fehler gemacht hat.«
    »Jetzt zähl schon, verdammt!«, rief der Fallensteller.
    »Das werden wir später auf deinen Grabstein schreiben«, sagte Charlie, wobei seine Finger knackten. »Bruderherz, zähl bitte langsam bis drei.«
    »Sind beide Kontrahenten bereit?«, fragte ich.
    »Bereit«, sagte der Fallensteller.
    »Bereit«, sagte Charlie.
    »Eins …«, zählte ich. Aber da brach schon der Feuersturm aus unseren Pistolen los. Vier Kugeln flogen gleichzeitig durch die Luft und fanden ihr Ziel, nämlich die Stirn des Gegners. Die Fallensteller sackten zusammen, um nie wieder aufzustehen. Es war eine makellose Aktion, nie waren wir schneller und effizienter gewesen. Weswegen Charlie, kaum war der Feind gefallen, in unbändiges Lachen ausbrach, wie auch ich übrigens, wenngleich mehr aus Erleichterung. Doch Charlie, glaube ich, war wie elektrisiert vom Anblick der Leichen am Boden. Reicht es eigentlich nicht, noch einmal davongekommen zu sein,

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