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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Mayfield an, der sich jetzt mit beiden Hände durchs Gesicht fuhr, als wollte er sich waschen.
    »Okay«, fuhr Charlie fort. »Der nächste Punkt wird dir nicht gefallen, doch die Beschwernisse, die du meinem Bruder und mir auferlegt hast, haben natürlich ihren Preis. Hörst du mir zu, Mayfield? Dann frage ich dich, Mayfield, und ich frage unumwunden: Wo hast du deinen Safe?«
    Mayfield war indes schon so lange still, dass ich bezweifelte, ob er die Frage verstanden hatte. Charlie wollte sie bereits wiederholen, als Mayfield mit tonloser Stimme sagte: »Das sage ich euch nicht.« Da trat Charlie an ihn heran und sagte: »Sag mir, wo der Safe ist, oder ich schlage dir meine Pistole auf den Kopf.« Als Mayfield immer noch nichts sagte, zog Charlie seinen Revolver aus dem Holster und fasste ihn am Lauf, wie einen Hammer. Noch eine letzte Sekunde, dann ging der Walnuss-Griff auf Mayfields Scheitel nieder. Mayfield kippte nach hinten aufs Sofa, hielt sich den Kopf und gab halb unterdrückte Schmerzlaute von sich, dem Quieken eines Schweins ähnlich, was ich als im höchsten Maße unwürdig empfand. Auch fing er sofort an zu bluten, worauf ihm Charlie ein Taschentuch in die Hand drückte. Dann zog er ihn wieder hoch. Anders, als man hätte denken könne, ballte Mayfield das Taschentuch nicht zu einem improvisierten Verbandspäckchen zusammen, sondern legte es sich wie ein Tischtuch auf den Kopf, aber wegen seiner Glatze hielt das Ganze ganz gut. Trotzdem fragte ich mich: Wie kommt jemand auf so etwas? War es eine spontane Eingebung, oder hatte er bereits Übung in solchen Dingen? Unfreundlich sah er uns an. Er trug nur einen Stiefel, und sein nackter Fuß hatte ganz rote und geschwollene Zehen. Ich deutete auf die Stelle und fragte: »Sind das Frostbeulen, Mayfield?«
    »Frostbeulen?«
    »Sieht mir aus, als wären das Frostbeulen an deinen Füßen.«
    »Meinen Füßen fehlt nichts.«
    »Ganz eindeutig Frostbeulen.«
    Um die Unterhaltung abzukürzen und Mayfields Aufmerksamkeit zu gewinnen, schnippte Charlie mit den Fingern. »Wie du meinst«, sagte er. »Aber wenn du jetzt nichts sagst, kriegst du zweimal eins übergezogen.«
    »Ihr kriegt mein Geld nicht«, sagte Mayfield.
    »Wo ist der Safe?«
    »Ich habe für das Geld geschuftet. Es gehört mir, nicht euch.«
    »Okay.« Da schlug Charlie zweimal zu. Alles andere wiederholte sich: Mayfield klappte zusammen, dann Heulen und Jammern. Dazu kam, dass Charlie direkt auf das Taschentuch schlug, was ein hässlich nasses Geräusch ergab. Als er Mayfield dann nach oben riss, hatte dieser die Zähne zusammengebissen und atmete schwer, und der ganze Kopf war blutüberströmt, daran änderte auch das Taschentuch nichts mehr. Mayfield schob die Unterlippe vor und wollte wohl ganz mutig sein, aber eigentlich sah er nur noch lächerlich aus, wie etwas in der Auslage eines Metzgers. Das Blut strömte ihm nur so über Kinn und Hals, sodass auch der Kragen davon getränkt war. Charlie sagte: »Ich möchte jetzt eines klarstellen: Dein Geld ist weg. Punkt. Du kannst dich jetzt gegen diese Wahrheit wehren, aber dann werden wir dich töten und den Safe eben später finden. Also denk nach: Warum willst du körperliche Qualen, gar den Tod erleiden für etwas, was eigentlich längst verloren ist? Nochmals: denk nach. Diese Haltung ist vollkommen sinnlos.«
    »Ihr tötet mich sowieso.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Überhaupt nicht«, ergänzte ich.
    »Dann gebt ihr mir euer Wort?«, fragte Mayfield.
    Charlie sah mich an, und seine Augen fragten: Sollen wir ihn am Leben lassen? Worauf meine Augen antworteten: Mir egal. Worauf Charlie sagte: »Wenn du uns das Geld gibst, lassen wir dich so zurück, wie wir dich angetroffen haben und krümmen dir kein Haar mehr. Dann darfst du weiterleben.«
    »Schwört!«
    »Ich schwöre«, sagte Charlie.
    Mayfield beobachtete ihn dabei genau, suchte nach Zeichen von Heimtücke, doch da war wohl nichts. Also sah er mich an. »Du auch«, sagte er.
    »Wenn mein Bruder sagt, es ist so, dann ist es so. Aber wenn ich ebenfalls schwören soll, dann schwöre ich auch.«
    Er nahm sich das blutgetränkte Taschentuch vom Kopf und warf es auf den Boden, wo es mit einem feuchten Klatschen auftraf. Dann zog er sich die Weste gerade und stand auf, was er vielleicht besser nicht getan hätte. Denn er schwankte so stark, dass er gleich wieder zurücksank, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. »Ich brauche einen Drink und etwas, mit dem ich mich säubern kann. Ich möchte nicht

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