Die Söhne.
ausgezeichnet, nachdem der aus Altersgründen die Statthalterschaft Ägyptens niedergelegt. Vorläufig jedenfalls konnte kein Mensch erkennen, ob der Kaiser den Juden feindlich oder freundlich oder einfach gleichgültig gegenüberstand, und ehe man da klarsieht, wird sich Großrichter Arulen hüten, seine Entscheidung zu fällen. Die Bemühungen des Marull, den Scheidungsprozeß in die Länge zu ziehen, kommen ihm sehr gelegen.
Die Dame Dorion hatte ihr Scheidungsbegehren damit begründet, daß Josef ihr zur Kränkung seine frühere Frau wieder in die Stadt gerufen und mit ihr Beischlaf gepflogen habe, trotzdem er selber sich von ihr als von einer Minderwertigen geschieden, ja diese Scheidung mit Erniedrigungen erkauft habe. Man hatte Beweiserhebung veranstaltet, und die Verteidiger des Josef hatten die Sache in die Länge gezogen. Endlich war es soweit, daß ein Termin anberaumt wurde, in dem Klägerin und Beklagter einander zum erstenmal vor Gericht gegenübertreten sollten.
Die Rechtshändel des Josef interessierten die ganze Stadt, und da überdies bekannt geworden war, Senator Helvid, der Führer der Opposition, werde in dieser Verhandlung persönlich die Klägerin vertreten, hatten sich viele Neugierige eingefunden. Das Gericht benötigte die ganze, riesige Julische Halle, die Zuhörer aufzunehmen.
Josef erschien vor Gericht, begleitet nicht nur von den Anwälten Publius Niger, Calpurnius Salvian, Clinius Macro und Oppius Cotta, sondern auch von Junius Marull selber. Er hatte sich nicht gescheut, die Tracht der Erniedrigung und Trauer anzulegen. Möglich, daß er diese Kleidung um seines toten Sohnes willen trug. Wahrscheinlich aber wollte er zeigen, daß die Argumentation Dorions darauf hinauslaufe, ihn zum Angeklagten eines Kriminalprozesses zu machen, dem solche Tracht anstand. Der hagere, zerstörte Mann erreichte seinen Zweck und weckte Empörung gegen die Klägerin.
Für den Senator Helvid und die Seinen war der Prozeß in erster Linie ein Mittel politischer Propaganda. Titus hatte sich durch den Sturz der Jüdin populär gemacht, er gab riesige Summen aus, um diese Popularität zu erhöhen; die Neuen Bäder, die Hunderttägigen Spiele hatten ihm die Herzen der Römer erobert. Vielleicht bot der Prozeß Gelegenheit, der »Liebe und Freude des Menschengeschlechts« eins auszuwischen. Wenn man dartun konnte, daß es unter dieser Regierung einem Juden möglich war, mit Hilfe eines römischen Gerichts die Beschneidung eines Nichtjuden zu erzwingen, dann verwandelte sich vielleicht die »Liebe und Freude« wieder zurück in den »Walfisch«. Freilich konnte man in öffentlicher Verhand lung die politischen Gesichtspunkte nur andeuten, aber die Entfaltung ferndrohenden, finsteren Prunks war die Stärke des Redners Helvid.
»Dieser Mann Flavius Josephus«, führte er aus, »ist zuerst eine Ehe eingegangen, die er selber für eine schändliche gehalten hat. Er hat sich öffentlicher Geißelung unterzogen, nur um sich des Weibes wieder zu entledigen, an das er sich, wohl in einer Art Verblendung, gebunden hatte. Im letzten Jahr nun, als der Übermut des Ostens wuchs und sehr groß ward, scheint den östlichen Mann von neuem seine alte Verblendung überkommen zu haben. Nachdem er in langer, glücklicher Ehe aus seiner Verzauberung endgültig erwacht schien, hat er jenes Weib von neuem in die Stadt gerufen, hat sie die lange Reise übers Meer machen lassen, hat sie unzählige Male aufgesucht und hat so die Frau, die seinethalb ihren großen, geliebten Vater verlassen und mit der er viele ehrbare und gesegnete Jahre verbracht hatte, öffentlich und aufs tiefste gekränkt. Die Frau war bis zum Übermaß geduldig. Sie hat sich lange damit begnügt, ihn still zu ermahnen, von dem schändlichen Umgang abzulassen. Aber er blieb verstockt, und, von neuem voll von der Verblendung und Sittenlosigkeit des Ostens, trieb er seine Unzucht weiter, bis ihm endlich der zürnende Himmel sehr sichtbare Strafe sandte. Wollen Sie, Richter und Geschworene der Römer, eine Frau dazu verurteilen, länger mit einem Manne zu leben, der sich so gröblich gegen sie vergangen hat? Wollen Sie sie dazu verurteilen, ihren wohlgeratenen Sohn im Hause eines Mannes großziehen zu lassen, der Sitten und Gebräuchen huldigt, die den Sinn jedes Römers beleidigen? Mag der Beklagte ein großer Schriftsteller sein, wie man behauptet: es geht nicht um Schriftstellerei. Schriftstellerei kann man nicht lehren, Kunst kann man nicht
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