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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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gefährlich wäre.
    Die schaufelnden Soldaten allerdings förderten allerhand Leben zutage. Das Erdreich war einen Schritt tief staubtrocken und mürbe, aber darunter plötzlich durchsetzt mit wimmelnden Würmern und Larven von weißlicher Farbe. Bei jedem Spaten voll Aushub rieselten dutzendweise Wurmwesen hervor. Die Dicksten und Längsten von ihnen wären andernorts schon als Schlangen bezeichnet worden.
    »Gibt einem zu denken, oder, Leutnant?« Onida Raubiel war plötzlich neben Fenna aufgetaucht. Vertieft in die Geräusche der schuftenden Männer hatte er sie gar nicht nahen hören. »Was für eine Gegend das hier ist. Wie man beschaffen sein muss, um ein Land mit giftigen Flüssen und Gasfeldern, mit Haihunden, aber ohne Singvögel seine Heimat zu nennen. König Rinwe hat niemals versucht, diese Landschaft seinem Königreich einzugliedern. Weil es in ihr nichts zu holen gibt. Weil man in ihr ohnehin nicht siedeln könnte.«
    »Wir lassen die Affenmenschen in Ruhe, solange sie uns in Ruhe lassen.«
    »Der Feldzug sprach eine andere Sprache.«
    »Der Feldzug war eine Idee der Königin und ihrer Berater, nach reiflichem Nachdenken in die Tat umgesetzt. Er war nicht einfach eine Laune, sondern ein militärisch-strategisches Vorhaben, dessen Hintergrund allen verborgen bleiben muss, die nicht unmittelbar beteiligt waren.« Fenna stellte fest, dass seine eigene Stimme den Echos ähnelte, die von den Arbeitsgeräuschen widerhallten.
    Die Händlerstochter lächelte nur. »Ich war unmittelbar beteiligt. Mein Vater und ich haben das unglückliche Heer mit Proviant versorgt. Aber glaubt mir, Leutnant: Der Sinn der ganzen Sache ist mir nichtsdestotrotz verborgen geblieben.«
    Sie ließ ihn stehen. Er betrachtete weiter das Ausheben der Grube. Dabei fragte er sich, wie die Würmer wohl mit dem Proviant umspringen würden da unten. Aber das war nicht sein Problem. Sein Auftrag war es nur, den Proviant hier zu vergraben.
    Die Soldaten ächzten und mühten sich. Sie schleppten Fässer und Kisten und wachstuchumwickelte Bündel aus dem Planwagen ins frische Erdloch. Die Dunkelheit schwappte über die Hügel wie Brühe. Überall im Talkessel krümmten sich jetzt ausgegrabene Würmer, die offenbar durch die trockene obere Erdschicht nicht hindurchkamen.
    Gyffs mischte sich unter die verschwitzten, dreckverschmierten Grünhörner. »Auf dem Rückweg ist der Planwagen leer«, sagte sie aufmunternd. »Das bedeutet, es können Männer auf dem Wagen mitfahren – ich würde vorschlagen, beide Züge abwechselnd für jeweils drei Stunden. So kann jeder sich alle drei Stunden ausruhen und muss nur noch den halben Weg zurückmarschieren.«
    Die Männer freuten sich tatsächlich über diese Eröffnung. Emjen Raubiel spuckte aus, sagte aber nichts.
    Die Arbeit ging im Dunkeln weiter, bis das Loch wieder aufgefüllt und die überschüssige Erde weiträumig verteilt war.
    »Jeder wird auf den ersten Blick erkennen, dass hier gegraben wurde«, sagte Korporal Deleven unzufrieden.
    »Glücklicherweise ist dieser Talkessel nicht weithin einsehbar«, entgegnete Fenna. »Wir beziehen unser Nachtlager dort oben auf dem Hügelkamm. Da wimmelt es nicht so von diesen Würmern. Morgen nach Tagesanbruch sehen wir uns unser Werk noch einmal an und tarnen, was zu tarnen ist. Dann geht es zurück, wie Leutnant Gyffs gesagt hat.«
    In dieser Nacht war Leutnant Fenna aufgrund der Schichtrotation gleich mit der ersten Wache dran. Obwohl ihm vor Übermüdung mehrmals die Augen zufielen, hielt er eisern durch. In seinem Zustand kamen ihm verworrene Gedanken in den Sinn: Die Kinder von Chlayst, die er in seinem letzten Traum vergeblich gesucht hatte – hier lagen sie und schliefen. Schmutzig und erschöpft, wie nach einem Spiel im Sand. Die Soldaten waren seine Kinder, seine Schutzbefohlenen. Er und Gyffs waren Eltern.
    Aber auch in den drei Schichten, während derer Fenna eigentlich hätte schlafen können, war ihm keine tief reichende Ruhe vergönnt. In der dritten Schicht ließ Leutnant Gyffs das gesamte Lager wecken, weil Kindem und Stodaert etwas gesehen hatten: »Huschende Schatten, wie Köpfe, die sich hinter Hügelkuppen verbergen.«
    »Das könnten aber auch Nagetiere oder Echsen gewesen sein, die sich oben auf den Kuppen bewegen?«, fragte Fenna übellaunig nach.
    »Was auch immer, es sind viele, und vielleicht geht von ihnen Gefahr aus, Leutnant!«, meldete Stodaert akkurat.
    Fenna fragte sich, ob nicht eher durch die ganze Unruhe und das Geplappere

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