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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
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treten solche Veränderungen eher an regulatorischen Genen auf, die steuern, in welchem Tempo und unter welchen Bedingungen die Proteine produziert werden. Kleine Veränderungen an Regulatorgenen machen auf den ersten Blick nicht viel her, aber sie können die Proportionen anatomischer Strukturen und physiologischer Aktivitäten erheblich modifizieren. Wahlweise können sie auch mit größerer Präzision auf bestimmte Körperteile und bestimmte physiologische Prozesse abzielen. Außerdem programmieren sie gegebenenfalls die Empfindlichkeit für ausgewählte Reize, die während der Entwicklung auf den Organismus einwirken: Unterschiedliche Umwelten bewirken so die Herausbildung einzelner Varianten, die dann die beste Anpassung an die jeweilige Nische darstellen. Schließlich ist es bei Regulatorgenen, die ja nur Wechselwirkungen im Entwicklungsprozess beeinflussen, weniger wahrscheinlich, dass Mutationen sich schädlich auswirken, als das bei Mutationen an Protein-codierenden Genen der Fall wäre. Sie produzieren ja kein neues Protein, also keine darauf beruhende neue Struktur oder Verhaltensform; eine solche Veränderung nämlich könnte die Entwicklung im übrigen Organismus leicht aus dem Lot bringen. Vielmehr regeln sie die Häufigkeit eines bereits existierenden Proteins und können damit fein austarierte Veränderungen an einer existierenden Struktur oder Verhaltensform vornehmen.[ 44 ]
    Ameisen und andere soziale Insekten illustrieren die Evolution dieser adaptiven Plastizität bis ins Extrem. Die Arbeiterinnen in Ameisen- oder Termitenkolonien unterscheiden sich häufig so stark voneinander, dass man sie leicht versehentlich verschiedenen Arten zuweist. Dabei sind in Kolonien mit einer einzigen Königin, die sich mit nur einem einzigen Männchen gepaart hat, alle Kasten eines Geschlechts genetisch nahezu identisch. In Anatomie und Verhalten unterscheiden sie sich aber, weil sie während ihres Reifeprozesses entweder mehr oder weniger Nahrung erhielten als die anderen, was sie größer oder kleiner wachsen ließ. Außerdem wuchsen auch ihre einzelnen Gewebepartien in unterschiedlichem Ausmaß, so dass größere und kleinere Individuen unterschiedliche Körperproportionen herausbildeten. Die unreifen Tiere waren auch empfindlich für die Pheromone der erwachsenen, und diese beeinflussten ebenfalls, in welche Richtung sie sich entwickelten und wie groß sie selbst wurden. Die Forschung kennt noch weitere Faktoren für die Einteilung von Koloniemitgliedern in Kasten. Jede Kaste spezialisiert sich ihr Leben lang auf ihre eigenen Aufgaben. Eine Kolonie kann ohne signifikante Genvarianz folgende Kasten enthalten: Jungköniginnen, kleine, zurückhaltende Minor-Arbeiterinnen und riesige Soldatinnen mit grotesk vergrößerten Köpfen und Kiefern.
    Speziell bei Ameisen ist die Herausbildung von Kasten aufgrund der Plastizität nur Teil eines raffinierten Prozesses, der sogenannten adaptiven Demographie. Die Kasten übernehmen nicht nur spezielle Aufgaben, sondern sie folgen zudem einem Programm, nach dem sie entsprechend ihrer natürlichen Sterberate in einer bestimmten Frequenz neu produziert werden, damit das Verhältnis der Kasten zueinander für die Kolonie als Ganzes insgesamt optimal bleibt. Zum Beispiel haben Mitglieder der großen Major-Kaste bei Weberameisen, die für die Kolonie die meiste Arbeit außerhalb des Nests erledigen und außerdem die Kolonie gegen Feinde verteidigen, eine höhere Sterberate als Minor-Arbeiterinnen, die innerhalb des Nests als Ammen dienen. Ganz offensichtlich produziert die Kolonie deswegen pro Mitglied mehr Majores als Minores, damit das optimal erscheinende Gleichgewicht zwischen den beiden Kasten gehalten werden kann.[ 45 ]

    23.1 Die Evolution kultureller Varianz am einfachen Beispiel zweier Merkmale in derselben Kulturkategorie (etwa Inzestvermeidung oder Kleidungswahl). Die Varianz misst sich über die Anzahl der Gesellschaften, die in drei Kulturkategorien (von oben nach unten) eines von zwei Merkmalen auswählen. Die Neigung, andere zu imitieren, wird als Sensibilität für Verhaltensmuster bezeichnet.
    Beim Menschen wird kulturelle Varianz vor allem von zwei Eigenschaften des Sozialverhaltens bestimmt, die beide der Evolution durch natürliche Selektion unterliegen. Erstens ist das die Frage, wie stark der Einfluss epigenetischer Regeln ist – bei der Kleiderwahl sehr gering, bei der Inzestvermeidung sehr stark. Die zweite Eigenschaft der kulturellen Variation ist die

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