Die Sphaeren
Decke entlang. Droff schien einen Teil seiner Kleidung verloren zu haben. Er sah ziemlich abgerissen aus. Und er bewegte sich nicht.
Plötzlich kehrten die Erinnerungen zurück, mit solcher Wucht, als würde die Decke über ihm einstürzen – was durchaus geschehen konnte, befürchtete Oramen. Er kam auf die Knie und dann auf die Beine, hustete dabei. Noch immer der Husten, dachte er. Noch immer der Husten. Er hörte ihn im Kopf, aber nicht in den klingelnden Ohren.
Er wankte durch den Tunnel, dorthin, wo Droffo lag. Auch er selbst schien so armselig gekleidet zu sein wie der Graf, in zerrissene Lumpen. Den Kopf musste er gesenkt halten, wenn er den unter der Decke des Tunnels wogenden Rauch meiden wollte. Er schüttelte Droffo, doch der Mann rührte sich nicht. Er war sehr blass, und Blut rann ihm aus der Nase. Der Rauch verdichtete sich, kam tiefer. Oramen bückte sich, packte Droffo unter den Achseln und zog ihn über die Bretter.
Es fiel ihm schwer. So viel tat ihm weh, sogar das Husten. Er wünschte sich, dass Droffo erwachte und dass sein Gehör zurückkehrte. Der still und dunkel herankriechende Rauch holte ihn wieder ein. Oramen fragte sich, ob er Droffo liegen lassen und sich in Sicherheit bringen sollte. Wenn er das machte und sie sonst beide gestorben wären, war es eine vernünftige Entscheidung. Aber wenn er Droffo liegen ließ, obwohl sie beide hätten überleben können … Dann war es falsch. Richtig und falsch. Wie einfach das sein konnte. Er entschied, Droffo noch etwas weiter über die Bretter zu
ziehen. Er würde darüber nachdenken, ob er ihn zurücklassen sollte, wenn er nichts mehr sehen und nicht mehr atmen konnte. Sein Rücken schmerzte.
Oramen glaubte, Vibrationen durch die Füße zu fühlen, doch die klingelnden Ohren ließen ihn im Stich. Als er begriff, dass er mit den Füßen näher kommende Schritte spürte, war es zu spät. Jetzt ist der Preis fällig, dachte er noch.
Plötzlich drückte sich ihm eine grobe Hand auf Nase, Mund und Kinn, und hinzu kam ein heftiger Stoß im Rücken. Vielleicht auch ein Fluch.
Er merkte, dass er Droffo fallen gelassen hatte. Mit einem Ruck befreite er sich aus dem Griff der Person, die ihn gepackt hatte und deren Hand nicht mehr so fest zudrückte wie vorher. Oramen drehte sich um und sah Baerth, der wie vom Donner gerührt dastand, mit einem zerbrochenen Langmesser in der Hand. Die Klinge lag zwischen ihnen auf den Brettern, in zwei Teile zerbrochen. Das war achtlos, dachte Oramen. Mit der einen Hand tastete er zum Rücken, durch die zerrissene Kleidung, dorthin, wo die Pistole das Messer aufgehalten hatte. Die Finger fanden die Waffe, schlossen sich darum und holten sie hervor.
»Die Klinge ist hier dran zerbrochen!«, rief er Baerth zu, hob die Pistole und schoss. Dreimal, um ganz sicher zu, und noch einmal, als der Ritter auf dem Boden lag, durchs Auge, um noch sicherer zu sein. Baerth war ebenfalls bewaffnet gewesen. Eine Pistole steckte an seiner Taille; er hätte sie benutzen sollen statt dem Messer. Oramen war froh, dass seine Ohren bereits klingelten; dadurch blieb es ihm erspart, viermal das enorm laute Knallen im Tunnel zu hören. Es wäre wirklich unangenehm gewesen.
Er kehrte zu Droffo zurück, der begonnen hatte, sich zu bewegen. »Stehen Sie auf, Droff!«, rief Oramen. Er zog den Grafen auf die Beine und legte sich dessen einen Arm um die Schultern. Diesmal wankten sie Seite an Seite durch den Stollen – Oramen wollte nicht noch einmal von blutdürstigen Mistkerlen mit Langmessern überrascht werden. Droffo schien ihm etwas sagen zu wollen, aber er hörte noch immer nichts. Der Tunnel voraus war lang und dunstig, aber leer. Trotzdem hielt er die Pistole schussbereit.
Schließlich kamen Leute in den Stollen, und Oramen schoss nicht auf sie: gewöhnliche Arbeiter und zwei Wächter. Sie halfen ihm und Droffo nach draußen.
Am Zugang des Stollens, in der von Lichtern durchsetzten Dunkelheit unter dem Platz, sanken sie in einem kleinen Lager zu Boden, und Oramen hörte – gedämpft, als befände er sich unter Wasser -, wie jemand weglief.
»Armer Sir! Sehen Sie sich nur an! Oh, armer Sir! Wie Löschpapier!« Neguste Puibive half der Krankenschwester, Oramen anzuziehen. Die vielen blauen Flecken und Hautabschürfungen des Prinzen entsetzten Neguste. »Ich habe Lastwagen gesehen, die voller Farbkleckse waren und doch weniger bunt als Ihre arme Haut!«
»Sie ist nicht bunter als deine Vergleiche, Neguste«, erwiderte Oramen und
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