Die Sphaeren
Fachleute für hundert verschiedene Gebiete.
Auf einem großen, erhöhten Rund, umgeben von Rampen und Wegen der Namenlosen Stadt, teilte sich der Hauptboulevard und führte in mehrere unterschiedliche Richtungen. Fließbänder sowie Schienen- und Seilbahnen begleiteten die einzelnen Straßen, gesäumt von matt glühenden Öllampen, zischenden Gasbrennern und flackernden Glühbirnen. Die Rampe, auf der der größte Verkehr geherrscht hatte, führte über einen gefrorenen See und dann, über dicke Planken, zu dem großen, knollenartigen Gebäude mit dem Sarkophag.
Die Flut aus Menschen, Maschinen, Tieren und Material war durch einen riesigen, länglichen, hundert Meter weiten Zugang geströmt, vorbei an einem Dutzend hoch aufragenden Schalenweltmodellen, hatte dann weiter im Innern ein mundförmiges Atrium erreicht.
Aus der Flut war ein Rinnsal geworden, als Oramen und seine Begleiter nach der Versammlung im großen Zelt den Mittelpunkt der Stadt aufsuchten. Die Hauptarbeiten fanden jetzt woanders statt: bei den zehn kleineren Artefakten, ähnlich beschaffen wie jenes, das sich Oramen hatte ansehen wollen, als es zu dem Anschlag auf sein Leben gekommen war. Die meisten Arbeiter kamen dort zum Einsatz, weil der Raum rings um den schwarzen Würfel durch die Explosion teilweise eingestürzt war.
Im Bereich des Sarkophags sah es ähnlich aus wie bei jenem schwarzen Würfel, den Oramen besucht hatte. Durch die Ausgrabungen waren jahrtausendealte Sedimente von Schlamm, Schlick, Sand und Schutt abgetragen und eine Art Arena freigelegt worden, mit einem Durchmesser von über hundert Metern.
In ihrer Mitte, erhellt von Bogenlampen und umgeben von Gerüsten, Plattformen und ihren Schatten, lag der Sarkophag: ein hellgrauer Würfel mit einer Seitenlänge von zwanzig Metern, die Ecken und Kanten leicht abgerundet. Seit der vollständigen Ausgrabung vor etwa zwanzig Tagen hatte an diesem Ort so etwas wie ein kontrolliertes Chaos geherrscht, ein Durcheinander aus Menschen, Maschinen und Bewegung, begleitet von Rufen, Geklapper, Funken, Tiergebrüll, Dampf und Abgasen. Doch als Oramen jetzt in die Höhle blickte, herrschten dort Stille und eine fast ehrfürchtige Atmosphäre, in der Oramen auch eine gewisse Anspannung zu fühlen glaubte.
»Von hier aus betrachtet sieht das Artefakt nicht sehr lebendig aus«, sagte der Prinz. Er und Poatas standen von Wächtern umgeben am Hauptzugang der Arena, in einem breiten Portal zehn Meter über der flachen Mulde in der Mitte – dort ruhte der Sarkophag auf einem fünf Meter hohen Sockel.
»Sie sollten näher herangehen«, sagte Poatas.
Oramen sah ihn an und lächelte. »Genau das machen wir jetzt, Mr. Poatas.«
Sie gingen zu dem Objekt. Oramen fand es in mehrfacher Hinsicht weniger imposant als den pechschwarzen Würfel, an dem er zuvor Interesse gezeigt hatte. Die Höhle war größer, wirkte weniger bedrückend, was vielleicht an der Stille
lag. Zwar war dieser Würfel ein ganzes Stück größer als der, den er vor einigen Tagen gesehen hatte, aber das Grau ließ ihn weniger unheilvoll aussehen als das Licht aufsaugende Schwarz, das eine solche Faszination auf ihn ausgeübt hatte. Aber an Größe mangelte es diesem Würfel sicher nicht, und von unten gesehen wirkte er noch massiver.
Oramen fragte sich, wie sehr er noch an den Nachwirkungen seiner Verletzungen litt. Er hätte einen weiteren Tag im Bett verbringen können. Die Ärzte hatten ihm dazu geraten, aber er war mehr darum besorgt gewesen, das Vertrauen der Leute und insbesondere der ehemaligen Soldaten in der Siedlung zu verlieren. Er hatte aufstehen und sich zeigen müssen, und als der Kurier die Nachricht von der Aktivität des Artefakts brachte … Da war ihm gar nichts anderes übrig geblieben, als Poatas und seine nächsten Adjutanten zur Ausgrabungsstätte zu begleiten. Er fühlte sich außer Atem und wund an zahllosen Stellen; sein Kopf schmerzte, und es klingelte noch immer in seinen Ohren. Manchmal musste er sich anstrengen, um die Leute zu verstehen, wenn sie Worte an ihn richteten, als wäre er bereits zu einem alten, halb tauben Mann geworden. Aber er gab sich alle Mühe, einen gesunden, kräftigen und unbesorgten Eindruck zu machen.
Als er sich dem Sarkophag näherte, spürte er eine davon ausgehende Aura absoluter Festigkeit, eine ruhige, sture, völlig unerschütterliche Gelassenheit. Hinzu kam das Gefühl von Zeitlosigkeit. Dieses Etwas schien das Verstreichen von Zeitaltern und Epochen gesehen zu haben,
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