Die Sphaeren
Schalenwelten als Lebensraum einschränkte, bestand in der Schwierigkeit, sie sicher zu machen.
Viele Leute starben bei der Entwicklung von Methoden, die dazu dienten, das Gefahrenpotenzial einer Schalenwelt zu reduzieren. Rivalisierende Zivilisationen mussten die gleichen Lektionen neu lernen, denn die Nutzbarmachung solcher Planeten brachte Macht und Einfluss, was bedeutete: Die Techniken der Gefahrenreduzierung waren ein wohlgehütetes Geheimnis. Bis schließlich eine altruistische Zivilisation – verärgert und entsetzt angesichts einer so egoistischen Vergeudung von Leben – einige der Methoden selbst entwickelt, andere gestohlen und den ganzen Kram allgemein publik gemacht hatte.
Natürlich hatte ihr dieses unsportliche Verhalten harsche Kritik eingebracht. Dennoch war ihr Verhalten schließlich von zahlreichen galaktischen Körperschaften gebilligt und gelobt worden, und die Kultur, obwohl zeitlich weit von jenem hehren Volk getrennt, hatte immer eine Art ideeller Verwandtschaft mit ihm in Anspruch genommen.
Die Zivilisationen, die sich darauf spezialisierten, Schalenwelten sicher zu machen, und dadurch Teileigentum an ihrem Innern erwarben, wurden als »Förderer« bekannt. Sursamen
war ungewöhnlich, denn zwei Spezies – die Oct (die behaupteten, direkte Nachfahren der seit Langem verschwundenen Involucra zu sein und sich deshalb auch Erben nannten) und die Aultridia (ein Volk von unklarer Herkunft) – hatten zur gleichen Zeit mit der Sicherung des Planeten begonnen. Ungewöhnlich war auch, dass keine Seite die Oberhand gewann bei dem Konflikt, der zum Glück auf Sursamen beschränkt blieb. Schließlich hatte der neu gegründete Galaktische Generalrat beiden Völkern die Aufsicht über Sursamens Zugangstürme zugesprochen, allerdings zu Bedingungen, die den Betreffenden Gelegenheit gaben, in Zukunft ausgiebig darum zu streiten.
Die Nariscene bekamen volles Wohnrecht auf Sursamens Oberfläche und allgemeine Kontrolle über die Welt, worin sie eine Bestätigung ihres Anspruchs darauf sahen. Allerdings mussten sie sich letztendlich den Morthanveld beugen, in deren Einflusssphäre das Sonnensystem mit dem Planeten lag.
Und so war Sursamen kolonisiert und zu einer bewohnten Welt geworden. Verschiedene Völker hatten sich in ihr niedergelassen, weshalb man von »multipler Bevölkerung« sprach. Die Öffnungen in den Stütztürmen, durch die Gase oder Flüssigkeiten weiter unten gelegene Ebenen erreichen konnten, wurden verschlossen, einige für immer. Bei anderen installierte man Schleusen, die sicheren Ein- und Ausgang ermöglichten. Man stattete die großen hohlen Türme mit Transportanlagen aus, die Reisen zwischen den einzelnen Ebenen sowie von und zur Oberfläche gestatteten. Im Lauf von Jahrmillionen nach der Inbesitznahme des Planeten war gasförmiges, flüssiges und festes Material herbeigeschafft
worden. Die Oct und Aultridia hatten Wesen, Leute, Spezies, Speziesgruppen und ganze Ökosysteme nach Sursamen gebracht, meistens für irgendeine Art von Entgelt, manchmal auf Geheiß der betreffenden Personen, öfter auf Wunsch von anderen.
Die internen »Himmel« bekamen künstliche Sterne: thermonukleare Kraftwerke wie kleine Sonnen, die allerdings den Vorteil von Antigravitation hatten – sie stiegen in den einzelnen Ebenen nach oben. Es gab zwei Arten von ihnen, Fixsterne und Rollsterne. Erstere waren stationär, Letztere bewegten sich auf vorgegebenen Routen und in einem regelmäßigen Rhythmus, der allerdings recht kompliziert sein konnte, wenn er mehrere Rollsterne betraf.
Immer wieder kam es zu Todesfällen. Manchmal erwachten Jahrhunderte, Jahrtausende oder Deziäonen nach der Sicherung und Entwaffnung einer Schalenwelt verborgene Defensivsysteme zu fataler Aktivität, was zu Giga- und Teratod führte, fast zur Auslöschung ganzer Völker: Sterne fielen vom Himmel; Ebenen wurden von oben überflutet oder verloren ihre Meere, oft mit dem Ergebnis, dass Ozeane auf künstliche Sonnen trafen, was Wolken aus Plasma und superheißem Dampf schuf; Multispezies-Krankheitserreger gerieten in die Atmosphäre; Toxine führten zu ambientalen Kontaminationen; Gammastrahlen sterilisierten einzelne Ebenen oder ganze Schalenwelten.
Diese Ereignisse brachten ihnen den Namen »Massakerwelten« ein. Als Generaldirektorin Shoum auf die dunkle, fleckige Oberfläche von Sursamen blickte, war es seit vier Millionen Jahren bei keiner Schalenwelt mehr zu einem Massentod gekommen, und deshalb wurde der Begriff
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