Die Sphaeren
ein einfaches, kleines Zimmer bekommen und fand es ausgesprochen seltsam, wie eine gewöhnliche Person behandelt zu werden. Es war irgendwie lustig, in gewisser Weise, aber auch beschämend und ärgerlich, trotz des Umstands, dass die Tarnung als gewöhnliche Person sein Leben schützte. Und aufgefordert werden zu warten, während alle anderen, mit Ausnahme seines Vaters, Zeit für ihn hatten … Auch das war eine neue Erfahrung. Nun, ganz so neu eigentlich nicht; gewisse Frauen, die er kannte, neigten zu solchen Taktiken. Aber jenes Warten war herrlich und voller Vorfreude, auch wenn es zum betreffenden Zeitpunkt unerträglich erschien. Dieses Warten war nicht herrlich, sondern ein Ärgernis.
Ferbin saß auf einer kleinen Schlafpritsche, sah sich im kleinen, spärlich eingerichteten Zimmer um und beobachtete für einige Sekunden den Hiktureanischen Turm – die meisten Fenster des Gelehrtenhauses gewährten Blick auf den Turm, wenn das möglich war. Er sah an seiner Kleidung hinab, die von einem Toten stammte. Er schauderte und hatte die Arme um sich selbst geschlungen, als jemand laut an die Tür klopfte. Das »Herein« wollte gerade erst seine Lippen verlassen, als Choubris Holse die Tür auch schon öffnete und mit gerötetem Gesicht hereinsah.
»Sir!«, stieß Holse hervor. Dann fasste er sich, straffte die Schultern und brachte ein Nicken zustande, das der Rest einer Verbeugung sein mochte. Er roch nach Rauch. »Der Oberste Gelehrte ist jetzt bereit, Sie zu empfangen, Sir.«
»Ich gehe sofort zu ihm, Holse«, erwiderte Ferbin. Ihm fiel ein, dass der WeltGott angeblich vor allem jenen half, die sich selbst halfen – ein Grundsatz, nach dem Holse zu leben schien -, und so fügte er hinzu: »Danke.«
Holse runzelte die Stirn und sah ihn verwirrt an.
»Seltis! Mein lieber alter Freund! Ich bin’s!« Ferbin betrat das Arbeitszimmer, das dem Obersten Gelehrten des hiktureanisch-anjrinhschen Hauses des Wissens zur Verfügung stand, und breitete die Arme aus. Der ältere Mann auf der anderen Seite des mit Papieren überladenen Schreibtischs trug leicht abgenutzt wirkenden Gelehrtenornat und blinzelte hinter einer Brille mit kleinen, runden Gläsern.
»Dass Sie Sie sind, mein Herr, gehört zu den großen unbestreitbaren Dingen des Lebens«, erwiderte er. »Wollen Sie sich um eine Stelle bewerben, indem Sie solche Binsenwahrheiten von sich geben und sie als profunde Erkenntnisse präsentieren?«
Ferbin vergewisserte sich mit einem Blick nach hinten, dass der Bedienstetengelehrte die Tür geschlossen hatte. Dann lächelte er und trat mit noch immer ausgebreiteten Armen zum Schreibtisch des Obersten Gelehrten. »Nein, Seltis, ich meine, ich bin’s!« Er senkte die Stimme. »Ferbin. Der Schüler, der Sie einst oft zur Verzweiflung brachte, den Sie aber auch sehr geliebt haben, wie ich hoffe. Bitte entschuldigen Sie die Verkleidung. Ich freue mich, dass sie ihren Zweck so gut erfüllt, aber ich bin es wirklich, das versichere ich Ihnen. Hallo, alter Freund und höchst kluger Mentor!«
Seltis stand auf, Erstaunen und Unsicherheit im faltigen Gesicht. Er deutete eine Verbeugung an. »Bei Gott, ich glaube,
du könntest es wirklich sein.« Er musterte Ferbin. »Wie geht es dir, Junge?«
»Ich bin kein Junge mehr, Seltis«, sagte Ferbin und nahm auf einem bequemen Stuhl neben dem Schreibtisch Platz, in unmittelbarer Nähe eines kleinen Erkerfensters. Seltis verharrte am Schreibtisch und sah seinen ehemaligen Schüler über einen kleinen Berg aus Büchern hinweg an. Ferbin zeigte einen ernsten, sogar ein wenig gequälten Gesichtsausdruck. »Eher ein junger Mann, alter Freund, und bis vor wenigen Tagen zufrieden und sorgenfrei. Lieber Seltis, ich musste mit ansehen, wie mein Vater unter grässlichen Umständen ermordet wurde …«
Seltis wirkte plötzlich alarmiert und hob die Hand. Er wandte sich von Ferbin ab und sagte: »Bitte lass uns allein, Munhreo.«
»Ja, Oberster Gelehrter«, erklang eine andere Stimme, und Ferbin beobachtete erschrocken, wie ein junger Mann im Umhang eines Juniorgelehrten von einem kleinen Schreibtisch in einem Alkoven auf der anderen Seite des Raums aufstand. Er bedachte Ferbin mit einem faszinierten Blick und ging zur Tür.
»Munhreo«, wandte sich der Oberste Gelehrte an den jungen Mann, als er die Tür öffnete. Der Juniorgelehrte drehte sich um. »Du hast nichts gehört, verstanden?«
Der junge Gelehrte verbeugte sich kurz. »Ja, Herr.«
»Ah, er lernt vermutlich die Kunst
Weitere Kostenlose Bücher