Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
so schwer, oder?»
Bevor Carsten antworten kann, biegt ein Mann in einem grünen Anzug, über den er ein albernes weißes Cape drapiert hat, um die Ecke. Auf der Herzseite prangt ein ausladendes Kreuz, wie man es von den alten Malteser-Aquavit-Flaschen kannte. In der Hand hält er eine aufgeklappte Schrotflinte. Mandy-Ursula erholt sich am schnellsten.
«Los, weg!», zischt sie, packt Carsten am Handgelenk und beginnt den Gang zurückzulaufen. Carsten folgt ihr stolpernd. Kurz bevor sie die nächste Abzweigung erreicht haben, dröhnt ein Schuss durch den Gang und eine satte Ladung Rehposten schlägt prasselnd in die Decke über ihnen. Zu ihrem Glück hat der Hobbyjäger die Rückschlagkraft der Munition unterschätzt und den Lauf verrissen. Bevor er nachladen kann, sind sie um die nächste Ecke gebogen.
«Und jetzt?»
«Das wird nichts mehr mit unserer Fahrgelegenheit. Wie es aussieht, müssen wir laufen.»
ciii Doppelt hält besser
Ächzend richtet sich der Sprengmeister mit Sprengfunktion auf.
«So, das wärs», quäkt es schaurig aus dem Stimmverzerrer.
«Und du bist sicher, dass die Dinger wirklich nicht losgehen?»
«Todsicher.»
«Immerhin sind wir nicht allzu weit von den Laboren entfernt.»
«Immerhin sollen unsere kleinen explosiven Grußbotschaften ja auch gefunden werden. Das funktioniert aber nur, wenn wir sie in Reichweite platzieren.»
«Sollen wir Nr. 5 auch noch installieren?»
«Natürlich. Dafür haben wir uns schließlich den ganzen Weg mit dem Zeug abgeschleppt.»
«Und wo?»
«Direkt im Herzstück der Anlage. Im Genlabor.»
«Das würde voraussetzen, dass du weißt, wo das Labor ist und wie wir dorthin kommen.»
«Warum willst du die ganze Zeit in das verdammte Labor? Gibt es etwas, das du uns mitzuteilen vergessen hast?», mischt sich der dritte Sprengmeister in das Gespräch. «Meines Erachtens gehen wir damit nur ein unnötiges Risiko ein.»
«Ich habe meine Gründe.»
«Du hast deine Gründe? Ist ja interessant. Dürften wir die vielleicht auch erfahren?»
«Nein.»
«Nein?»
«Bist du taub? Nein! Wir haben klare Absprachen, was wir wem zu sagen haben. Und diese Sache geht dich nichts an.»
Ein eisiges Schweigen breitet sich aus.
«Da haben wir doch wohl noch ein Wörtchen mitzureden, oder?»
«In diesem Fall? Nein!»
Die beiden anderen Sprengmeister legen eine gefällige Schweigeminute ein, bevor einer von ihnen antwortet.
«Na, gut. Kennt jemand den Weg?»
civ Unterirdische Treibjagd
Freiherr von der Hohen Ward drückt sich vorsichtig an der Wand des Riesenfahrstuhls entlang in Richtung offenes Tor. Sein Atem geht schwer, zähe Tropfen kalter Schweiß rinnen ihm über die unregelmäßig geröteten Wangen, verweilen einen Moment am Überhang seiner Schweinebacken und fallen schließlich auf den Kragen des Umhangs. Die Besichtigung des jüngsten Tatortes mit den verstümmelten Leichen von Hellström und Bernemann sowie die enervierend lange Fahrt mit dem Aufzugmonster haben ihm die Möglichkeit auch des eigenen Ablebens drastisch vor Augen treten lassen. Das wäre wirklich zu ärgerlich: Schon die warmen Strahlen des Lichts ewigen Lebens auf dem Gesicht zu spüren und dann doch von eisiger Hand hinabgerissen zu werden ins Dunkel immerwährenden Vergessens. Schrecklich. Und Angst einflößend. Angst. Bisher wusste Freiherr von der Hohen Ward gar nicht, was das ist: Angst. Selbst die terroristischen Aktivitäten der Sprengmeister und die damit unmittelbar einhergegangene Gefährdung von Leib und Leben haben nicht dieses bohrende Gefühl in seiner Brust hervorrufen können, das rasende Puckern seines Herzen, die abgehackten Atemzüge durch eine plötzlich wie zugezogen scheinende Luftröhre. Vorsichtig hebt er den mattschwarz glänzenden Lauf seiner englischen Bockflinte. Jetzt bloß nicht noch in den eigenen Fuß schießen. Das heulende Geräusch der Aufzugmotoren dimmt herunter zu einem unirdischen Beben unter seinen Füßen. Zentimeterweise schiebt Hohe Ward seinen massigen Kopf hinter der Torwand hervor. Die Halle vor ihm ist in wattiges Halbdunkel gehüllt. Staubschwaden hängen in der Luft und erschweren den Blick. Sein oder nicht sein, um nichts weniger geht es jetzt. Ein kreischendes Geräusch von jenseits der Halle dringt an sein Ohr. Nicht menschlich, aber auch irgendwie nicht technisch. Hohe Ward beugt sich vor und verlässt gebückt die Kabine. Kaum, dass er den ersten Meter zurückgelegt hat, schlägt ein Gegenstand in die Wand neben ihm ein, dort, wo
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