Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
sondern auch ‹noch besser leben›. Dafür brauchen wir Sie: Die Bürger, die etwas besser machen wollen, die sagen: ‹Geht nicht, gibt‘s nicht›, die eine Idee haben und den Mut, sie auch umzusetzen.
Der Philosoph Karl Popper hat gesagt: ‹Die Zukunft ist weit offen. Sie hängt von uns ab, von uns allen›. Lassen Sie uns in diesem Sinne mit Ideen, mit Neugier, mit Leidenschaft und mit dem unverbauten Blick für den eigenen Vorteil die Lösung neuer Aufgaben anpacken.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien für das weitere Jahr Gesundheit, Kraft, Zufriedenheit und Gottes Segen.»
Strahlend wie der junge Sonnenkönig steht Freiherr von der Hohen Ward auf seiner kleinen Bühne und lässt sich von den Ovationen seines Auditoriums davontragen. Es tut gut, ein wertvoller Mensch unter wertvollen Menschen zu sein.
xxxviii Die süße Last
Verwirrung hat einen neuen Namen: Carsten. Die Frau vor ihm ist zweifellos Mandy, allerdings eine Mandy in schlechtem Zustand. Die Augen haben sich zentimeterweit in den Kopf zurückgezogen, die Haut ihres Gesichtes ist fleckig und das Zuhause zahlreicher neuer Falten. Nicht die Mandy, die vor noch gar nicht so langer Zeit seine roten und weißen Blutkörperchen durcheinandergewirbelt hat, aber eben doch Mandy. Ein Sixpack Fragen galoppiert durch Carstens Großhirnrinde und verhindert jede Bewegung auf Mandy zu oder von ihr weg.
Mandy mustert ihren alten Lover mit einem Minimum an Gesichtsausdruck.
«Was ist los mit dir, Carsten? Hast du 'n Stock gefressen?»
Tatsächlich steht Carsten steif wie der Grog eines alten Seemanns zwischen den Büschen und stiert Mandy an wie Rotkäppchen den bösen Wolf.
«He, hallo, aufgewacht.» Mandy wedelt ein wenig mit ihrer rechten Hand vor Carstens Gesicht herum. «Hier spielt die Musik. Kannst du mich hören?»
Carsten kann, aber es nützt ihm nichts. Er hat vergessen, was Motorik ist und wie sie funktioniert. Mandy hat unterdessen den Kopf schief gelegt und mustert ihr brettähnliches Gegenüber.
«Wie siehst du überhaupt aus? Warst du auf einer Beerdigung?» Eine berechtigte Frage, denn Carsten steckt in einem schlecht sitzenden schwarzen Anzug mit deutlichen Gebrauchsspuren, um den Hals windet sich ein dünner schwarzer Schlips mit einem grauen Karomuster. Nicht unbedingt das, was die aktuelle Herrenmode an Erfordernissen bringt. Mandy wartet die Antwort nicht ab, sondern packt Carsten an der Hand und zieht ihn weiter ins Dickicht der Sträucher. Die unvermittelte Bewegung löst die mentale Verschlingung und schaltet den Sprechapparat wieder ein.
«Wo warst du?», krächzt er. «Warum hast du dich nicht gemeldet? Was machst du hier? Was sind das für komische Sachen, die du da anhast? Kennst du Freiherr von der Hohen Ward etwa? Du siehst so … Bist du krank?»
«Komm erst mal aus der Sonne, dann sehen wir weiter.» Mandy zieht Carsten hinter sich her. Sie überqueren zwei kleine Wirtschaftswege und landen schließlich an der Rückseite der Gärtnerklause zwischen zwei großen Behältern zur Kompostierung der Hohe Wardschen Pflanzenrückstände. Mandy lehnt sich an die backsteinrote Wand. Obwohl es nur ein paar Schritte waren, ringt sie nach Luft. Ihre Atemzüge sind von einem heiseren Schaben durchsetzt, ein trockener Husten will anschwellen, wird aber daran gehindert. Mandy versucht eine abgespeckte Version ihres alten Breitmaulfroschgrinsens ins Gesicht zu zaubern, scheitert jedoch an der mangelnden Kooperationsbereitschaft ihrer abgehärmten Gesichtsmuskeln. Sie sieht wirklich nicht gut aus.
«Mein Gott, Mandy. Was ist los mit dir? Du siehst …»
«… richtig Scheiße aus. Sag es ruhig.»
«Äh, ich meine …»
Mandy verzieht die Lippen. Der rote Lippenstift kann die Geschwüre in ihren Mundwinkeln nur ungenügend kaschieren.
«Ich weiß. Egal, es ist schön, dich noch mal zu sehen …»
«Was heißt denn hier: noch mal zu sehen ?»
Mandy hebt ihre linke Hand und legt sie knapp über dem Herzen auf das Revers von Carstens Jackett.
«Carsten, ich weiß, dass du das hier nicht verstehen kannst. Egal. Ich möchte, dass du jetzt gehst, und zwar auf der Stelle. Versprich mir, dass du dich nicht umdrehst, bis du hinter der Promenadenmauer bist.»
Carsten steht da wie ein Schaf nach einem heftigen Platzregen. Er bewegt unablässig den Kopf mit kleinen ruckelnden Bewegungen hin und her, es rauscht in seinen Ohren.
«Auf keinen Fall werde ich …», Carsten Stimme ist deutlich unsicher auf den Beinen. Er spürt, wie etwas
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