Die Spur der Hebamme
erkläre ich sie für ungültig.«
Marthe wagte kaum zu atmen, und auch die beiden Männer neben ihr beherrschten sich vollkommen, so schwer ihnen dies auch zu fallen schien.
»Ekkehart, Ihr habt Anspruch auf die Rückgabe aller Brautgeschenke. Es steht Euch frei, Euch nun eine neue Frau zu nehmen. Christian, Ihr dürft dieses Weib mit vollem Recht als Eures betrachten.«
Der Bischof schwenkte die Hand als Zeichen dafür, dass die Audienz beendet war. Es kümmerte ihn nicht, dass er die gestern geschlossene Ehe nicht allein hätte auflösen dürfen. Viel wichtiger war, dieses Weib, das immer wieder für Ärger sorgte, schnell wieder unter dem Befehl eines Mannes zu wissen. Sonst nutzte sie die Zeit vielleicht noch, darüber nachzugrübeln, was ihr nach ihrer Verhaftung widerfahren war. Und das durfte nie ans Tageslicht kommen. Die Gelegenheit, sie unauffällig aus dem Weg zu räumen, war mit Christians Rückkehr ohnehin vertan. Doch der Ritter würde klug genug sein, seine Frau zum Schweigen zu veranlassen, sollte die Erinnerung zurückkehren.
Wortlos verneigten sich die Männer.
Christian wartete, bis Marthe aufgestanden war, dann reichte er ihr den Arm, um sie hinauszugeleiten.
Ekkehart warf einen hasserfüllten Blick auf beide und ging mit großen Schritten voran.
Wortlos und mit erstarrter Miene ließ sich Marthe von ihrem Mann führen. Auch er sagte kein Wort. Gemeinsam gingen sie zur Frühmesse.
Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer zermürbender. Aber sie waren ständig von Menschen umgeben, und vor so vielen neugierigen Beobachtern konnten sie nicht besprechen, was zu bereden war. Als die Kirchgänger nach der Messe zumFrühmahl strömten, zog Christian Marthe beiseite und schob sie in den Kräutergarten, den der Koch hinter dem Palas hatte anlegen lassen.
Dort drehte er sie zu sich um. »Was ist los? Was haben sie dir angetan?«
»Nichts.« Immer noch hielt sie den Blick gesenkt, nun schlug sie die Hände vors Gesicht. »Ich schäme mich so. Ich fürchte mich davor, dass du mir das nie vergeben wirst. Dass du nichts mehr von mir wissen willst. Oder mich sogar verachtest oder hasst.«
Betroffen schwieg Christian für einen Augenblick. Dann löste er ihre Hände von ihrem Gesicht, zog sie an sich und strich ihr beruhigend über den Rücken. »Nichts davon musst du fürchten, ich schwör’s. Ich hatte nur Angst um dich, riesige Angst.« Ungläubig sah sie zu ihm hoch, aber sie wirkte immer noch gequält.
»Lukas hat mir ins Gewissen geredet«, gab er dann zu, mit mattem Lächeln. »Und zwar ganz gewaltig.«
Er zog sie eng an sich und küsste ihre Schläfe. »Ich kenne keine Frau, die so mutig ist wie du.«
Immer noch beklommen, zuckte sie die Schultern. »Was sollte ich denn sonst tun? Otto hat mir keine Wahl gelassen.«
»Und du hast mit ihm geschachert wie auf dem Markt.«
Nun konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Das hätte ich erleben wollen.«
Er lenkte sie zur Halle. »Komm, lass uns zum Frühmahl gehen. Ich bin hungrig wie sieben Wölfe. Und dann wollen wir Konrad begrüßen und ihm Glück wünschen. Heute ist sein großer Tag!«
Christian war zweierlei klargeworden: Er würde in Zukunft auch Ekkehart dringend im Auge behalten müssen. Und ermusste seine geheime Eifersucht bezwingen, damit Marthe ihre Bedenken verlor und ihm wieder vertraute.
Das Frühmahl hatte längst begonnen, doch noch bevor sie sich niedersetzen konnten, gab es eine überraschende, freudige Begegnung: Raimund und Arnulf waren aus Trifels zurückgekehrt, wo sie das Silber des Kaisers unbeschadet abgeliefert hatten.
Erleichtert umarmte Christian den Freund und begrüßte seinen alten Lehrmeister. Dann setzten sie sich nebeneinander und gedachten stumm ihrer erschlagenen Kameraden.
»Gott erbarme sich ihrer Seele. Es waren gute Männer«, sprach Arnulf aus, was alle an ihrem Tisch dachten. Die Waffengefährten schlugen ein Kreuz, Marthe sprach ein Gebet für die Toten.
Dann endlich schien sich die Spannung zu lösen. Sie aßen und erzählten von dem, was sie in den letzten Wochen erlebt hatten. So schrecklich manches auch war, was Marthe da zu hören bekam, so erlangte sie doch Stück für Stück ein wenig von der früheren Unbefangenheit und Vertrautheit mit Christian zurück.
»Ich sollte nach deinen Verletzungen sehen«, meinte sie. »Und auch nach Lukas’ Wunde.«
Verwundert sah sie sich um. »Wo steckt er eigentlich?«
Auch Christian schien das Fehlen des Jüngeren jetzt erst zu
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