Die Spur der verlorenen Kinder
dich nicht, okay?« Er legte ihren Kopf zurück auf das Kissen. »Mach einfach die Augen zu und rühr dich nicht, bitte. Versprich es mir.«
»Versprochen«, murmelte sie und sank zurück in einen Traum.
3
Es war dunkel, als Wheaton neben Rustys altem Chevy hielt. Er war erschöpft, aber aufgeregt. Er hatte der ultimativen Versuchung widerstanden, zu früh einzugreifen, bevor alles bereit war. Später in dieser Woche würde er nach Miami fahren, um anzufangen, sein neues Heim einzurichten. Er würde sich Leute suchen, die den Boden fliesten, den Swimmingpool renovierten, die Wände strichen. Er würde Möbel kaufen, einen Gärtner engagieren, am 1. Juli wäre alles perfekt.
Er stieg aus dem Wagen, dachte immer noch an Sugarloaf, und plötzlich kam Rusty aus der Richtung des Schuppens angerannt, Sunny neben sich. »Pete, komm schnell! Sie hat hohes Fieber und kotzt. Es ist schlimm, richtig schlimm. Ich habe Blut in ihrer Kotze gesehen. Ich hole Lydia.«
Großer Gott. »Sag ihr, es sei ein Notfall. Ich bezahle sie, wenn sie hier ist.«
»Klar.« Rusty sprang in seinen Wagen, der Hund hinterher, dann brauste er davon.
Wheaton rannte ins Haus, er holte seine Arzttasche aus der Vorratskammer unten und eilte dann hinüber zum Schuppen. Die Tür stand offen, und als er hineinlief, ließ ihn der Gestank ihrer Übelkeit beinahe würgen. Annie hatte sich auf Hände und Knie gestemmt, sie wollte irgendwohin kriechen – zur Tür? Wollte sie fliehen? Sie hatte Kotze vorn auf ihrem Shirt, ihre Haare und ihr Blick waren wild, ihr Gesicht hochrot.
Wheaton ließ seine Tasche auf den Couchtisch fallen und näherte sich Annie vorsichtig, als wäre sie ein wildes Tier. Er sprach mit tiefer, sanfter Stimme zu ihr. »Annie, lass mich dir aufhelfen und …«
»Hau ab«, kreischte sie und bäumte sich auf, ihre Arme flogen hoch. »Du hast mir das angetan, das ist alles deine Schuld, du Wichser!«
Wenn sie weiter so fluchte, würde sie die Konsequenzen kennenlernen, sobald sie nicht mehr krank war. Aber weil sie jetzt nicht bei Sinnen war, ignorierte er es und nahm sie vorsichtig bei den Handgelenken. »Komm jetzt, leg dich zurück auf das Sofa. Das ist ein Teil der Krankheit.«
Sie versuchte, sich loszureißen, war aber viel zu schwach, und er hob sie einfach vom Boden. Sie bekam eine Hand frei und schlug blindlings nach ihm, ihre Nägel fuhren wie Krallen über sein Gesicht. Keime. Er keuchte und ließ sie auf das Sofa fallen, und sie sprang auf und lief erschreckend schnell in Richtung der offenen Tür. Wheaton hatte keine Ahnung, woher ihre Kraft kam, woher sie die Stärke nahm, sich zu bewegen, ganz zu schweigen davon, einfach so loszulaufen. Er warf sich auf sie, schlang seine Arme um ihre Hüfte, und sie fielen zu Boden, sein Körper dämpfte ihren Aufprall.
Seine Lungen leerten sich, ihn schwindelte, und bevor er wusste, wie ihm geschah, wand sie sich in seinen Armen und versenkte ihre Zähne in seinen Handrücken. Ansteckung. Dann stemmte sie sich wieder auf die Füße und wankte in Richtung der Tür. Wheaton erwischte sie, bevor sie sonderlich weit kam, und schleppte sie, ein sich windendes, wildes Tier mit hohem Fieber, zurück zum Sofa. Er lief zur Tür, knallte sie zu, öffnete seine Arzttasche.
Er hatte Feuchttücher mitgebracht, die es noch eine Reihe von Jahren nicht geben würde, und rieb damit vorsichtig über Annies Gesicht und ihren Mund, dann versuchte er, die Kotze von ihrem Shirt zu entfernen. Sie musste sich umziehen, aber er sollte ihr nicht dabei helfen. Das musste Lydia tun. Lydia würde sich darum kümmern. Dafür bezahlte er sie. Sie wusste natürlich, was die Krankheit verursachte. Er hatte es ihr gestehen müssen, damit sie Rusty hatte behandeln können, als er so krank gewesen war. Und er bezahlte sie gut für ihr Schweigen in dieser Hinsicht. Aber es beängstigte ihn, dass es Annie jetzt so schlecht ging, nachdem er gedacht hatte, sie würde sich bereits erholen.
Er ließ den Lappen in die Kotzschüssel fallen, zog die Decke wieder über Annie und trug dann die Schüssel ins Bad, um sie auszuspülen. Er hatte keine Zeit, um den Reinigungswagen zu holen und alles zu sterilisieren.
Wheaton versuchte, die Blutflecke nicht anzuschauen, er versuchte, nicht weiter als sechzig Sekunden in die Zukunft zu denken. Bitte stirb nicht, Mädchen. Seine Hand blutete, wo sie ihn gebissen hatte, und sein Gesicht schmerzte, wo sie ihn gekratzt hatte. Er wusch sich die Hände, spülte sie ab, schäumte Seife in
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