Die Spur der Woelfin
auf der Treppe verharren.
»Dann solltest du dir auch über dein Handeln im Klaren sein, Laura.«
Sein Tonfall war noch immer höflich, doch der harte Klang darin ließ sie
frösteln. »Die Polizei wird gegen Dave nichts ausrichten können, eher werden
sie dabei draufgehen. Und ich werde nicht zulassen, dass du mir Steine in den
Weg legst.«
Laura brachte bei seiner Drohung kein Wort mehr heraus. Perplex sah sie
ihn an, wie er — plötzlich ebenso wütend wie sie — mitten in der Halle, stand,
ehe sie die Beine in die Hand nahm und in ihr Zimmer floh.
Sie brauchte eine halbe Ewigkeit, um sich wieder zu beruhigen. Patricks
Ausbruch war so plötzlich gekommen, dass sie selbst noch in ihrem Zimmer vor
Schreck gezittert hatte. Sie glaubte zwar nicht, dass sie seine Worte allzu
ernst nehmen musste, aber ganz sicher war sie sich dabei auch nicht. Wie hatte
Vince so schön gesagt? Keine Zeugen? Was, wenn Patrick das Interesse an ihr
verlieren sollte und beschloss, das Versäumte nachzuholen? Immerhin wusste sie
eine Menge über ihn und sein Rudel. Viel mehr als jeder andere Mensch,
zumindest musste sie das annehmen, wenn sie sich Vinces Verhalten ihr gegenüber
ansah.
Aber so schätzte sie ihn eigentlich nicht ein. Dennoch blieben die
Zweifel noch über Stunden bestehen und schafften, dass sie für den Rest des
Tages auf ihrem Zimmer blieb. Selbst als zunächst Daniel allein, etwas später allerdings
mit Miles als Verstärkung an ihre Tür klopfte, setzte sie keinen Fuß davor,
sondern ignorierte das beständige Trommeln und die Drohungen, einfach die Tür
einzutreten, bis die beiden genervt aufgaben.
Erst als die Dämmerung einsetzte, kehrte auch ihre Logik wieder zurück.
Der Schreck über Patricks Ausbruch saß tief, aber schließlich musste sie selbst
zugeben, dass er wahrscheinlich sogar berechtigt gewesen war. Aus seiner Sicht
musste es ein potenzielles Risiko sein, wenn die Polizei noch immer nach dem
Mörder fahndete. Nicht nur, weil Dave es sich einfallen lassen könnte, die
ermittelnden
Beamten aus dem Weg zu räumen, sondern weil sie tatsächlich auf die
richtige Spur gelangen könnten. So unmöglich dies auch war, passieren konnte
alles.
Sie hasste Patricks Befehlston, bei dem sie immer wieder das Gefühl
bekam, im tiefsten Mittelalter zu stecken und sich gerade vor ihrem
Familienpatriarchen verantworten zu müssen. Sie war selbstständig und traf
eigene Entscheidungen. Allerdings musste sie zumindest akzeptieren, dass
innerhalb des Rudels ein anderes Prinzip herrschte. Patrick trug die
Verantwortung — im Guten wie im Schlechten —, und das schon so lange, dass er
es wahrscheinlich nicht mehr gewohnt war, sich ihr gegenüber anders zu
verhalten. Was vielleicht auch daran lag, dass sie nun seit gut anderthalb
Wochen unter seinem Dach lebte und sich mehr oder weniger hier eingefügt hatte.
Die anderen hatten sie im Rudel aufgenommen, und Patrick hatte das wohl ebenso
getan, wozu auch gehörte, dass sie in das Strukturprinzip mit eingeschlossen
wurde.
Laura dachte allerdings nicht im Traum daran, sich ihm derart
unterzuordnen. Auch dann nicht, wenn ihr Aufenthalt hier nur befristet war. Das
würde sie ihm aber auch sagen müssen, in einem vernünftigeren Ton als heute
Nachmittag. Und sie würde sich für ihren Ausbruch bei ihm entschuldigen müssen.
Es war ihr von jeher schwer gefallen, sich bei anderen zu entschuldigen.
Daran gab sie ihrem Vater die Schuld, bei dem sie sich lange Jahre hindurch
immer wieder hatte entschuldigen müssen, um den Frieden im Haus
aufrechtzuerhalten — nicht, weil sie meinte, es tun zu müssen. Diesmal
allerdings würde sie wohl nicht darum herumkommen, und so beschloss sie, es so
schnell wie möglich hinter sich zu bringen, ehe sie der Mut verließ oder Pa-
trick dazu übergehen konnte, so zu tun, als wäre nichts geschehen, wie
er es sonst gerne tat.
»Wisst ihr, wo Patrick steckt?«
Miles saß mit Steve, seinem älteren Bruder, im Wohnzimmer und wirkte
vollkommen vertieft in eine Grundsatzdiskussion über ihrer beider
Lieblingsthema, Motorräder, als sie so unangemeldet hineinplatzte. Steve brach
mitten in seinem leidenschaftlichen Plädoyer für Ducati ab, und beide Gesichter
wandten sich ihr zu.
»Draußen«, erklärte Miles, was so viel bedeutete wie, er war laufen
gegangen. Laura nickte und wollte sich schon enttäuscht abwenden, als Steves
misstrauischer Blick an ihr hängen blieb. »Habt ihr euch gestritten?«
Laura schluckte im ersten Moment, zwang sich
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