Die Spur des Blutes (German Edition)
Grund dafür, dass er Jess’ Hilfe bei dem Fall benötigt hatte. Oder vielleicht hatte er auch tief in seinem Inneren erkannt, dass Jess schon immer in allem besser gewesen war als er. Statt ihr den Posten eines Deputy Chief einer neuen Einheit anzubieten, hätte er abtreten und bei seinen Vorgesetzten darauf drängen sollen, ihr seinen Posten zu geben.
Dan rieb sich mit der Hand über das Gesicht und seufzte, frustriert und zunehmend verunsichert.
Was zur Hölle treibst du denn?
Wells brauchte ihn, und er versteckte sich in der Herrentoilette und bemitleidete sich. Ärger überkam ihn, vor allem auf sich selbst, dann das dringende Bedürfnis, etwas zu tun. Nämlich Wells zu retten und den Spieler unschädlich zu machen, auch wenn das bisher niemandem gelungen war.
Er straffte die Schultern und zog die Krawatte gerade. Schluss mit dem Schwelgen in Schuldgefühlen. Es war an der Zeit, dass er seinen Job tat.
Das FBI übte sich in Zurückhaltung, bis, so sagten sie, es Beweise gab, dass es sich tatsächlich um den Spieler handelte – den Perversen, von dem Jess überzeugt war, dass er Eric Spears war. Dass sie einen Agenten geschickt hatten, der zusammen mit einem Uniformierten des BPD Jess’ Schwester bewachte, war reine Höflichkeit. Manning war zur Strategiebesprechung gekommen, oder, was wahrscheinlicher war, er war hier, um sich ein Bild davon zu machen, inwiefern Jess involviert war. Weiter ging das Engagement des FBI fürs Erste nicht.
Dan hatte den Verdacht, dass der eigentliche Grund für diese abwartende Haltung Jess war. Sie war der Sündenbock des FBI in dem ganzen Spieler/Spears-Debakel, das für die Medien noch längst nicht gegessen war. Und genau genommen hatte das FBI damit, dass Jess und Manning mit am Tisch saßen, Dans Bitte um Unterstützung ja durchaus entsprochen.
Dies war schließlich sein Saustall, und er musste ihn wieder in Ordnung bringen.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Selbstbeschau.
Dem Ärger über die Unterbrechung folgte gleich darauf ein heftiger Schreck bei dem Gedanken, es könnte sich eine neue Entwicklung ergeben haben. Er wollte nicht hören, dass man Detective Wells’ Leiche gefunden hatte.
Vor Sorge krampfte sich sein Magen noch fester zusammen.
»Burnett? Bist du da drin?«
Jess.
Vielleicht doch keine schlechten Nachrichten. Nur die unvermeidliche Ermunterungsansprache. Sie kannte ihn einfach zu gut, selbst noch nach einer fast zwei Jahrzehnte langen Trennung.
Dan reckte den Nacken, atmete tief durch und wandte sich zur Tür, die sich im selben Augenblick öffnete.
Jess runzelte die Stirn. »Alle warten. Was machst du denn?«
Wie kam es, dass ihr Radar immer noch dermaßen zuverlässig arbeitete, obwohl sie zwanzig Jahre weit entfernt voneinander gelebt und eine völlig verschiedene Sicht auf ihre damalige Beziehung hatten?
Bis er sie gebeten hatte, nach Birmingham zu kommen und ihn bei einem Fall zu beraten, hatten sie sich in dieser ganzen Zeit nur einmal gesehen. Bei dem Gedanke an diese Begegnung stürmten die Erinnerungen auf ihn ein …
wie sie sich hastig die Kleider vom Leib gerissen hatten … die ungeduldigen Laute, die sie beide in ihrer Lust von sich gegeben hatten … das Gefühl ihres warmen, schlüpfrigen Körpers unter seinem … wie stark sie auf seine Berührung reagierte.
Er verbannte die Bilder aus seinem Kopf. »Dies ist die Herrentoilette. Drei Mal darfst du raten.«
Sie verdrehte die Augen. »Schon, aber was machst du jetzt gerade?«
»Ich warte darauf, dass du die Tür freigibst, damit wir die anderen nicht länger warten lassen.« Sie war schließlich diejenige, die im Weg stand.
Nach einem forschenden Blick trat sie endlich beiseite, wartete, bis er herauskam, dann ließ sie die Tür zufallen.
Vielleicht war die alte Vertrautheit auch in ihm noch lebendig, denn er konnte deutlich spüren, wie sie ihn ansah, wie sie jeden Wimpernschlag registrierte, während sie den Flur zum Besprechungsraum entlanggingen.
Etwas beschäftigte sie.
Kurz vor der Tür blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. »Was ist?«
Jess verschränkte die Arme vor der Brust. »Ein kluger Freund hat einmal zu mir gesagt: Man darf ruhig mal Angst haben.«
Es wurmte ihn schon, dass er so leicht zu durchschauen war.
»Pass auf«, sagte sie mit einem müden Seufzer, »ich habe auch schreckliche Angst um sie. Aber wir müssen uns zusammenreißen.«
Jeder potenzielle Ärger über den Vorwurf verrauchte angesichts der Tatsache, dass er selbst es war,
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