Die Spur des Blutes (German Edition)
Leitern der Suchmannschaften.
Trotzdem, wenn es hart auf hart kam, würde Harper unter dem emotionalen Stress zusammenbrechen. Diese ganze Situation zwischen Jess und dem FBI war hochbrisant und außerordentlich heikel. Das FBI, genauer die Dienstaufsicht, würde die Hexenjagd so lange nicht aufgeben, bis sie sicher waren, dass an ihnen nichts kleben blieb.
Wenn Dan ihr nicht half, sich selbst zu schützen, würde Jess diejenige sein, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Um Himmels willen, man musste sich doch nur ansehen, in welche Gefahr sie sich mit dem Statement vor der Presse gebracht hatte. Sie dachte nicht klar.
Er klopfte an die Tür.
Sie öffnete sich sofort, so als hätte sie auf der anderen Seite gestanden und auf ihn gewartet. So, wie er sie kannte, hatte sie das wahrscheinlich auch.
»Gibst du mir eine Chance, es zu erklären?«
Sie starrte ihn einen Moment an, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie hatte sich abgeschminkt, die Brille abgelegt und das Killerkleid gegen ein T-Shirt und eine Wellnesshose getauscht.
»Ich war schon im Bett. Es ist spät.«
Ja, sie hatte die Decke zurückgeschlagen, aber das hatte nichts zu bedeuten.
»Jetzt bist du auf.«
»Na gut. Es ist dein Haus. Wie du willst. Dann erkläre.«
»Ich schließe dich nicht aus, Jess. Aber wenn Gant auch nur eine Sekunde ahnt, was wir vorhaben, wird er dir das Leben zur Hölle machen. Detective Wells’ Leben ist in Gefahr, und unser beider Karrieren ebenso. Das FBI zufriedenzustellen und gleichzeitig das zu tun, von dem wir beide wissen, dass es richtig ist, das ist eine Gratwanderung.«
Immer noch die Arme verschränkt und Misstrauen im Gesicht, fragte sie: »Du verheimlichst mir nichts?«
»Warum zur Hölle sollte ich dir etwas verheimlichen?« Das brachte ihn auf die Palme. »Ich brauche dich hierbei. Wir kennen uns schon fast unser ganzes Leben. Wie kannst du mir da misstrauen?«
Hatten sie das nicht längst geklärt? Bereits kurz nachdem sie angekommen war, als Beraterin bei einem Fall, an dem sein ganzes Department sich die Zähne ausgebissen hatte, waren sie wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit aneinandergeraten. Er hatte gedacht, sie hätten sich ausgesprochen. Anscheinend nicht.
Sie blickte weg. »Ich will dir ja vertrauen. Aber die Wahrheit ist, dass ein Teil von mir das einfach nicht kann.« Sie schüttelte den Kopf. »Es tut mir wirklich leid, dass ich so fühle, aber so ist es einfach.« So müde und emotional ausgelaugt, wie er sich nach Andreas Entführung und diesem verdammten Spears-Fall fühlte – ganz zu schweigen von den Erinnerungen und Gefühlen, die allein Jess’ Nähe in ihm weckte –, hätte er nicht gedacht, dass ihn heute noch irgendetwas treffen könnte.
Aber ihre Worte schafften das.
»Na dann.« Er wusste nicht, was er als Nächstes sagen sollte. »Gute Nacht.«
Dabei beließ er es. Nichts, was er sagte, würde ihre Meinung ändern.
Vielleicht war es falsch zu denken, dass da noch etwas zwischen ihnen war. Zwanzig Jahre waren eine lange Zeit. Eine Kluft, die so breit war, wurde nicht in ein paar Tagen überbrückt.
Vielleicht nicht einmal in weiteren zwei oder drei Jahrzehnten.
Aber wenn Missverständnisse und weiterer Schaden an ihrer fragilen Beziehung nötig waren, um Gefahr von ihr abzuwenden … dann sollte es so sein.
10
Southpointe Circle, Hoover, 2:00 Uhr
Chet Harper saß in seinem SUV. Seit ungefähr fünf Minuten saß er hier und versuchte den Mut aufzubringen, endlich auszusteigen.
Die Straßenlampen beleuchteten eine Wohngegend wie aus dem Bilderbuch. Hübsche, gepflegte Rasenflächen. Stolze zweigeschossige Häuser. Fahrzeuge, die für die Nacht in Garagen untergebracht waren. Keine Autos, die den Straßenrand verstellten.
In dieser Welt war alles so, wie es sein sollte.
Und es war spät. Zu spät, um seine Exfrau aufzuwecken. Zu spät, um seinen Sohn zu sehen. Aber er musste ihn sehen. Um ihm nur für eine Minute beim Schlafen zuzusehen und seinen Kleine-Jungen-Geruch zu riechen.
Sherry würde es nicht verstehen. Sie verstand weder Chet noch seine Arbeit. Warum zur Hölle hatte er jemals geglaubt, dass sie es als Paar schaffen konnten? Sie hatten nichts gemeinsam. Als Topmanagerin eines Forschungsunternehmens hatte sie keinerlei Respekt für seine Arbeit. Die langen Arbeitszeiten. Die Risiken.
Du könntest mehr erreichen, Chet. Die Bezahlung ist mies
.
Er starrte das dunkle Haus an. Eine hübsche Wohngegend, ein guter Schulbezirk, weit über dem Gehalt
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