Die Spur des Blutes (German Edition)
unterschiedliche Vorstellungen davon, wie wir unser Leben leben wollten. Zu Anfang habe ich das nur nicht gemerkt. Du wolltest keine familiären Bindungen. Du wolltest so weit weg wie möglich leben. Ich nicht!«
Sie nickte. »Oh ja. Das hätte ich fast vergessen. Du wolltest in der Nähe deiner Eltern sein. Blödsinn!«
Durchatmen
. Er blickte auf seine Füße, irgendwohin, nur nicht zu ihr, während er um Beherrschung rang. »Hör zu, das führt zu nichts.« Dan fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Wir sollten eine Pause machen.«
»Warum? Damit du dich der Wahrheit nicht stellen musst?«
Zorn wallte auf. »Ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
»Gib es doch zu, du hast Bindungsängste. Wir haben unsere Hochzeit geplant, überlegt, was für ein Haus wir kaufen wollten, Herrgott noch mal, und du hast dich verdrückt. Bist nach Hause gerannt. Hast Karriere gemacht und dich nacheinander aus drei Ehen verdrückt! Das ist ein Muster, Dan! Du kannst dich nicht für immer binden. Kannst es einfach nicht. Und ich werde nicht in dieser Bilderbuchfantasie leben, die du dir für uns ausgedacht hast. Es gibt kein Wir! Es gibt kein Wir mehr, seit du weggegangen bist und mich alleingelassen hast und ich mir ohne dich meine Zukunft aufgebaut habe.«
Ihre Worte trafen ins Schwarze. Darauf konnte er nichts sagen … er wusste nicht, was mehr schmerzte: die Vorstellung, dass er sie so sehr verletzt hatte, oder ihre Weigerung, ihm zu vergeben.
Sie zog sich die Brille ab, warf sie auf den Tresen und rieb sich die Schläfen. »Ich stecke gerade in einer Krise, Burnett. Den Fall in Richmond habe ich in den Sand gesetzt. Vier Monate zuvor kamen meine Scheidungspapiere per Post – für eine Ehe, die genauso falsch und verkorkst war wie deine drei. Und jetzt hat mich dieser gottverdammte Fall bis hierher verfolgt. Ich habe schreckliche Angst, dass jede Entscheidung, die ich treffe, die falsche sein könnte.« Frustriert drehte sie die Handflächen nach oben. »Leben hängen davon ab, dass ich clever und stark und reaktionsschnell bin. Und ich weiß nicht einmal mehr, wer ich überhaupt bin!«
Er legte die Hände an ihr Gesicht. Sie versuchte zurückzuweichen, doch er hielt sie fest. Sie sollte ihm in die Augen sehen.
»Du hast recht.« Nun fiel es auch ihm schwer, ihren Blick festzuhalten. »Mit allem. Ich konnte es nicht. Du warst so stark und unabhängig und ehrgeizig, und ich hatte Angst.«
»Das ist verrückt.« Ihre Lippen bebten. »Angst wovor?«
Sein Magen krampfte sich zusammen, doch er würde jetzt nicht aufhören.
»Angst vor dir, Jess. Angst, dass du mich immer in den Schatten stellen würdest. Dass ich nie gut genug oder stark genug sein würde. Ich hatte einfach Angst. Ich war zweiundzwanzig Jahre jung und dumm. Deshalb ging ich nach Hause und wurde erwachsen. Ich habe versucht, mir einzureden, dass wir damals nichts als Kinder waren und unvereinbare Vorstellungen hatten. Ich habe mich bemüht, nach vorne zu blicken. Ja, okay, meine Ehen sind gescheitert, weil ich Bindungsängste hatte. Wegen dir. Meine Ehen hatten keine Chance, weil niemand meinen Erinnerungen an dich gerecht werden konnte, Jess. Niemand.«
Lange Zeit standen sie einfach da … sahen sich in die Augen, während sich die Last von zwanzig Jahren langsam hob – zumindest für ihn. Er hatte es ausgesprochen. Die Wahrheit, die er nie hatte eingestehen wollen, nicht einmal sich selbst. Sie hatte ihm geholfen, zu verstehen, und nun wollte er verzweifelt und selbstsüchtig, dass auch sie verstand.
»Wow.« Ihre zitternden Lippen hoben sich zu einem Lächeln. »Das sind große Worte.«
Er nickte. Erleichterung durchströmte ihn. »Es tut mir leid, Jess. Ich habe einen Fehler gemacht, und ich habe ihn seither nur bereut.«
Heute hätten sie dieses Haus, von dem sie geträumt hatten … Kinder … und er hatte es vermasselt.
Sie streckte die Hand aus und strich ihm über die Wange. »Du bist und warst immer ein guter, starker Mann. Wir waren jung.« Sie zuckte die Achseln. »Frauen werden schneller erwachsen als Männer, und du …«
Er brachte sie mit seinen Lippen zum Schweigen. Sie schmeckte heiß und süß wie Schokolade. Zuerst spannte sie sich an, wehrte sich aber nicht. Als sich ihre Arme um seinen Hals legten, nahm er das als Signal. Seine Hände wanderten zu ihrem Po, und er zog sie fest an sich. Sie gab einen leisen Laut von sich, der ihm bestätigte, dass er richtig verstanden hatte. Er hob sie hoch, setzte sie auf den Küchentresen
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